Ich hatte es ja schon angekündigt. In den kommenden Wochen und Monaten besuchen mich nicht nur andere Blogger und Bloggerinnen, sondern auch zahlreiche Nicht-Blogger, die eine ganze Menge zu erzählen haben über ihre Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Als meinen ersten Gast darf ich euch Christin präsentieren. Christin ist eine langjährige Studienfreundin von mir und eine echte Powerfrau und Supermutter. Für Christin ist es selbstverständlich, dass Kindererziehung und Haushalt fair geteilt werden zwischen den Geschlechtern und dass Kind und Karriere kein Widerspruch sein müssen. Sie macht aber auch deutlich, dass man trotzdem manchmal zweifelt und unzufrieden ist. Das ist das Leben – und kein Grund, seine Entscheidungen jedes Mal grundsätzlich in Frage zu stellen.

„Am Ende des Tage sind wir aber froh und glücklich so wir uns entschieden haben“

Bitte stelle dich doch zuerst einmal kurz vor.
Mein Name ist Christin und ich bin 32 Jahre alt. Im vergangenen Juli bin ich Mutter einer ganz bezaubernden kleinen Tochter geworden. Zusammen mit meinem Mann wohne ich in Leipzig. Als meine kleine Froschprinzessin 6 Monate wurde, haben der Papi und ich den Elternzeitstaffelstab übergeben und seit dem gehe ich – zunächst in Teilzeit – wieder arbeiten. Ich arbeite im Projektsteuerungsteam einer Softwareentwicklungsabteilung. Diese Arbeit ist äußert interessant und fordert mich eben so sehr wie die kleine Froschprinzessin.  

Wann hat sich dir die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf das erste Mal gestellt?
Ehrlich gesagt hab ich mir diese Frage schon im Studium gestellt. Es war zwar nicht so, dass ich mich ständig damit auseinander gesetzt habe, aber der eine oder andere Gedanke ist da schon durch meinen Kopf gewandert. Ich habe mich vor allem gefragt warum man als Frau so unglaublich viel Zeit, Energie und auch Geld in seine Ausbildung investiert, um dann nach der Familiengründung direkt wieder hinten an zu stehen?!
Ich habe ein ziemlich ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl und habe mir daher lange bevor ich meinen Mann kennengelernt habe, gewünscht die Erziehung meines zukünftigen Kindes gerecht zwischen den Partnern zu teilen. Ich muss aber auch sagen, dass dieser Ansatz eine gewisse Tradition in meiner Familie hat, denn schon mein Opa hat meiner Mutter morgens die Haare in Zöpfe geflochten und mein anderer Opa hat für mich und meinen Bruder unter der Woche stets das Mittagessen gezaubert. Ich habe das nie als etwas Besonderes erlebt, denn es wurde nie besonders hervorgehoben oder besonders gewürdigt. So bin ich groß geworden in Brandenburg der Vor- und Nachwendezeit. Später lernte ich, dass vor allem Studienkollegen aus Westdeutschland Hausfrauenmütter hatten und fand den Gedanken irgendwie komisch, gefühlte 18 Jahre zu Hause zu bleiben, um das Kind zu versorgen. Aber was wollte ich für mich und für meine zukünftige Familie?! Für mich stand fest, dass ich im Job Verantwortung übernehmen wollte und strebte eine Karriere an. Daher wuchs mein Unbehagen als ich immer wieder beobachtete wie hochgeschätzte Kolleginnen, wenn sie denn überhaupt wieder in Job zurück kamen, dann vollkommen anders behandelt worden sind als vor der Erziehungszeit. Als ich dann meinen Mann kennenlernte, haben wir schon ziemlich bald darüber gesprochen wie wir uns eine Familie vorstellen (da waren wir noch 5 Jahre von der Froschprinzessin entfernt). Er hat sich von Beginn an gewünscht mindestens die Hälfte der Erziehungszeit zu übernehmen. Ich fand das toll und somit konnte ich mich erst einmal sehr entspannt meinen beruflichen Zielen widmen. 

Inwiefern hat zuerst die Schwangerschaft und dann die Mutterschaft deine Sicht auf die Vereinbarkeitsproblematik beeinflusst? 
Erst einmal hat sich meine Sicht so gar nicht verändert. Mein Mann und ich hatten unseren Plan. Mein Chef und ich hatten ebenfalls einen Plan entwickelt und ich bin einfach davon ausgegangen dass schon alles klappen wird. Ich hab mir in den schönsten Farben vorgestellt, dass die Froschprinzessin ab dem 6. Monat mindestens eine Mahlzeit feste Nahrung isst und ich der Zeit zwischen den Milchmahlzeiten mal eben ins Büro hüpfe um dann pünktlich nach dem Mittagsschlaf wieder zu Hause zu sein. Natürlich hat dabei die Sonne geschienen und alle waren glücklich… Nach der Entbindung sieht die Welt dann auf einmal ganz anders aus, wie konnte ich mir sicher sein, dass sie einen festen Schlaf/Wachrhytmus haben wird und das sie mit 6 Monaten feste Nahrung zu sich nimmt? Was ist wenn sie mich nicht entbehren kann – nicht mal eine Stunde? Zum Glück erlangt man ja mit der Zeit wieder eine gewisse Coolness und Urvertrauen wenn man so will, denn es wird ja alles gut früher oder später

Deine Elternzeit ist ja erst kürzlich wieder vorbei. Wie ist es für dich, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen? 
Jetzt da ich wieder im Job bin, stelle ich fest, dass das Kind gut versorgt ist und es ihr an nichts fehlt, dafür bin ich noch nicht ganz im Gleichgewicht und im Reinen mit mir. Ich fühle mich so, als stände ich zwischen den Welten, wobei man zu keiner „richtig“ angehört. Das ist schon manchmal ein komisches Gefühl. Ich wünschte mir manchmal, dass ich nicht so gefragt auf der Arbeit wäre, denn meine Zeit reicht oft nicht aus um alles zu schaffen. Vieles ist liegen geblieben in meiner Auszeit und wurde nicht umverteilt, weil klar war, dass ich nur 6 Monate Elternzeit nehme. Das hatte ich mir anders vorgestellt. Es ist schwieriger geworden, einfach noch mal etwas „schnell“ fertig zu machen, denn das bedeutet im Zweifel, dass ich meine Tochter vor dem Schlafen nicht mehr sehe. Im schlimmsten Fall beeile ich mich nach Hause und sie schließt die Augen in dem Augenblick, in dem ich den Schlüssel im Schloss umdrehe. Neulich war ich auf der CEBIT und habe mein Kind 2 Tage nur schlafend gesehen. Das war eine große Ausnahme, aber wie geht man nun damit um? Ich habe leider niemanden, den ich das fragen könnte. Da beginne ich jetzt erst zu verstehen, wie sich viele Väter fühlen müssen. Dennoch ist mein Fazit nach 2 Monaten im Job verhalten positiv: Der Papi und die Froschprinzessin sind ein super Team und ich kann mich in der Zeit, die ich auf der Arbeit habe, voll und ganz dem Job widmen und muss mir keine Sorgen machen, ob es zu Hause läuft. Das ist toll. Es ist auch schön, außerhalb der eigenen vier Wände gebraucht zu werden. Ich bekomme jeden Tag sowohl zu Hause als auch im Job Bestätigung und Anerkennung für meine Arbeit, darüber freue ich mich sehr und es gibt mir Kraft und lässt mich vergessen, dass ich eigentlich zwei Jobs pro Tag mache. 

Welche Rolle spielen Fragen der Vereinbarkeit in deiner Partnerschaft?
Es spielt immer mal wieder eine Rolle. Manchmal, weil wir als Paar darüber reden, weil der eine oder andere das Gleichgewicht verloren zu haben scheint, aber meistens werden diese Fragen von außen an uns heran getragen. Da wir ein in unserem Umfeld eher außergewöhnliches Elternzeitmodell leben, bekommen wir oft Feedback – ob wir das wollen oder nicht. Mein Mann wird oft angesprochen und gelobt für seinen Einsatz. Er wird oft als leuchtendes Beispiel in der Krabbel- und PEKIP-Gruppe dargestellt und dass es auch als Mann möglich ist, für das Kind da zu sein. Unfreiwillig wird er so als Prototyp des „neuen Vaters“ hingestellt – das stört ihn oft und er ärgert sich. Aber auch für unsere Familien ist er der Held, welcher mir meine Karriere ermöglicht. Das ist für keinen für uns fair und deshalb reden wir oft darüber und stärken uns gegenseitig den Rücken, denn klar zweifeln wir auch an unseren Entscheidungen – besonders wenn die Froschprinzessin den ganzen Tag geweint hat und ich auf der Arbeit auch kein besonderes Erfolgserlebnis hatte. Am Ende des Tage sind wir aber froh und glücklich darüber, wie wir uns entschieden haben. 

Könntest du dir andere Familienmodelle vorstellen als das, was ihr derzeit lebt? 
Vorstellen kann ich mir viel, aber so umsetzen hätte ich es nicht wollen. Es wäre für mich persönlich sehr schwer gewesen, wirklich ein volles Jahr zu Hause zu bleiben ohne weitere Nebenbeschäftigung. Ich war nach 6 Monaten mit der Froschprinzessin mehr als bereit, mich wieder mit komplizierten Sachverhalten auseinander zu setzen und hätte mir nicht vorstellen können noch weitere 6 Monate so zu verbringen. Ich brauchte mehr geistige Herausforderungen und vor allem auch mal wieder Zeit in der ich selbstbestimmt und in meinem Tempo etwas tun konnte. Schön hätte ich es gefunden, wenn mein Mann und ich mehr Elternzeit parallel gehabt hätten, denn das gefällt auch der Froschprinzessin am besten. Leider geht das ohne Großeltern in der Nähe und mit Krippenplätzen frühestens zum ersten Geburtstag nicht. Klar, kommt mir auch manchmal der Gedanke „was wäre wenn“. Ich hatte schon Jobs, in denen ich nicht so glücklich war wie mit dem aktuellen. Gerade in Situationen, in denen ich beruflich unzufrieden war, hat man schnell mal gedacht „ach, wenn ich jetzt schwanger wäre und ein Jahr in Elternzeit gehen könnte…“. Dennoch habe ich mich immer wieder für den beruflichen Wechsel entschieden und nicht für das Kind, denn ich wusste, dass ich nur wenn ich beruflich zufrieden bin auch entspannt in die Elternzeit gehen kann. 

Hast du manchmal das Gefühl, dass irgendwas in deinem Leben auf der Strecke bleibt? 
Definitiv der Haushalt. Sonst fühlen wir uns mit unserem Arrangement sehr gut. Ich habe sogar wieder ein Hobby! Ich singe jetzt im Chor und mein Mann geht regelmäßig seinen Interessen nach. Das hätte ich nie gedacht, aber da wir nun solche Sachen koordinieren und planen müssen, halten wir sie auch eher ein und genießen dann auch die bewusste Auszeit. Das finde ich richtig gut. 

Was muss aus deiner Sicht passieren, damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf deutlich erhöht wird? 
Bei uns im Freundes- und Bekanntenkreis dreht sich im Moment viel um den Krippenplatz. Leipzig hat zu wenige und das seit Jahren. Wir sind privilegiert, denn wir haben bereits eine Krippenplatzzusage für September. Da ist die Froschprinzessin 14 Monate alt. Das ist meiner Meinung nach zu spät. Und trotzdem können wir überhaupt froh sein einen Platz bekommen zu haben und da haben wir auch noch nicht über pädagogische Konzepte, Wunschkitas oder anderen SchnickSchnack geredet – es gab nur den Platz in der Kita in dem Stadtteil. Wir hatten Glück, dass die Krippe um die Ecke ist und uns auch zusagt. Ich finde, da ist noch viel Luft für Verbesserungen im System. Mit einer guten Kinderbetreuung geht Vereinbarkeit los, aber ich denke dazu gehört noch viel mehr. Ich bin z. B. froh dass ich in einem Unternehmen arbeite, in dem die Präsenskultur nicht so sehr ausgeprägt ist und in welchem auch in Teilzeit Karrieren stattfinden können, bin mir aber bewusst, dass dies für viele Mütter und Väter große Baustellen auf dem Weg zur guten Vereinbarkeit von Job und Familie sind. 

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Christin, dass sie uns von ihrem  Vereinbarkeitsprojekt erzählt hat. Aus sicherer Quelle weiß ich, dass sie ganz gespannt darauf ist, zu erfahren, was ihr dazu zu sagen habt. Sie freut sich auf eure Kommentare!


Ebenfalls in dieser Reihe erschienen:
Und plötzlich war sie da: Die Vereinbarkeitsfrage 
Das Leben zu Dritt oder nur ein Drittel der Zeit (Gastbeitrag)