Ich bin gerade einmal drei Jahre alt. Meine Großeltern sind bei mir und es handelt sich vermutlich um meine frühesten Kindheitserinnerungen überhaupt. Die Bilder haben sich in mich eingebrannt und noch heute sehe ich sie ganz klar vor mir. Lange Zeit glaubte ich, dass diese Eindrücke, die so gestochen scharf in meinem Kopf stecken, einfach nur ein wunderschöner Traum sind. Irgendwann aber fragte ich meine Oma danach und sie bestätigte überraschenderweise all die Details, die mir bis heute nicht aus dem Kopf gehen wollen.

Ich sehe einen Teich mit Enten. Rundherum eine große Wiese und nur vereinzelt Bäume. Das Wetter ist trist. . Meine Großeltern sind bei mir und ich bin unglaublich glücklich. Wir waren in einem riesigen Hotel und der Ententeich ist gleich in der Nähe. Wir sind also verreist. Plötzlich bin ich wieder im Hotel. Warmes Licht durchflutet nicht nur unser Zimmer, sondern auch die Hotelflure und die Lobby. Ich renne durch die Räume und fühle mich so unglaublich frei. Auch erinnere ich mich daran, wie viel Freude es mir bereitet, mit dem Fahrstuhl unentwegt hoch und runter zu fahren oder den Flur entlang zu unserem Zimmer zu toben. Meine Großeltern lassen mich gewähren. In meiner Erinnerung waren sie einfach nur da. Für mich.
Szeneriewechsel. Im Hotel gibt es auch ein Spielzimmer und ich weiß noch genau, wie aufregend es ist, es zu entdecken. Das Licht ist hier nicht so warm wie im übrigen Hotel, aber ich kann das Kinderlachen noch immer hören.
Erneuter Szenenwechsel. Ich bin wieder in unserem Hotelzimmer. Ich kann die Hände meiner Oma auf meiner Haut spüren. Sie streicht mir über das Gesicht, lächelt und wünscht mir eine gute Nacht. Ich blicke von meinem Bettchen aus ins Zimmer. Ein großes Doppelbett, zwei Nachttischchen und einen großen Spiegel.
Plötzlich sitze ich gemeinsam mit anderen Kindern an einem Tisch. Ich male mit Tusche. Ein Bild für meine Großeltern. Sie freuen sich wie sich nur liebende Eltern und Großeltern über ein Bild freuen können, auf dem kaum erkennbar ist, was es eigentlich darstellen soll.

Ein letzter Schwenk mit meinem Suchscheinwerfer. Ich sitze an einem Tisch mit anderen Kindern. Es ist ein riesiger Essensraum. In der Mitte des Saals steht eine gigantische Tafel mit so vielen Geschenken, dass ich sie niemals hätte zählen können. Neben der Tafel steht Er. Der Weihnachtsmann. Gleich bei ihm eine Weihnachtselfe. Sie verteilen Geschenke. Ich bin bin unbeschreiblich aufgeregt. Das Kerzenlicht, der Geruch von Keksen und dann irgendwo auf diesem Tisch: ein Geschenk für mich. Es dauert eine schiere Ewigkeit, bis mich die Elfe endlich aufruft. Endlich darf ich aufspringen und mein Paket bekommen.

All diese scheinbaren Kleinigkeiten haben die Jahre überdauert und schimmern durch den Nebel meiner Kindheitserinnerungen. Sie bedeuten mir wahnsinnig viel, denn in ihnen stecken so viel wunderbare Erinnerungen an die Liebe, mit der ich schon in frühester Kindheit gesegnet war. Es sind Erinnerungen auch an meine Oma, die heute nicht mehr bei mir ist und der ich so gerne meine Tochter, also ihre Enkeltochter vorgestellt hätte. Es sind vor allem aber auch Erinnerungen, von denen ich mir wünsche, dass in der Zukunft  auch meine Tochter sie in ähnlicher Weise haben wird. Die Liebe, die ich einst geschenkt bekam, soll sie ebenso spüren können, auch wenn bereits 30, 40 und mehr Jahre vergangen sein mögen.

Meine Gedanken schweifen nun weiter umher. Vor Ostern waren wir für zwei Tage weggefahren. Das erste Mal mit der Terrorpüppi in einem Hotel. Mit ihren 16 Monaten wird sie wohl nicht solch klare Erinnerungen an ihren ersten Hotelaufenthalt haben wie ich heute, aber dennoch. Wie sehr ich mich doch selbst in ihr wiedererkannt habe. Wie aufgeregt sie mit dem gläsernen Fahrstuhl das Hotel unentwegt erkundet hat.Wie sie die Hotelflure entlang getobt ist wie ich einst.Wie unerschrocken sie ist. An was sie sich in Zukunft wohl mal erinnern können wird?

Für wunderbare und nachhallende Erinnerungen muss man nicht um die Welt reisen. Es kommt darauf an, mit wem man durchs Leben reist. Ich will meine Püppi auf ihrer Reise begleiten, wohin diese sie auch führen wird.

An all das denke ich, während ich nach einem ermüdenden Zubettbring-Kampf endlich auf meiner Couch versacken kann. Ich trinke ein Glas Rotwein, den ich von der Bloggeraktion „Urlaub aus der Flasche“ zugeschickt bekommen habe.

Urlaub aus der Flasche

Was sind eure frühesten Kindheitserinnerungen? Es würde mich freuen, wenn ihr mir davon erzählt!