Blogreihe: Familienleben zwischen Beruf und Berufung 

Und schon geht es weiter mit der Blogreihe zur Vereinbarkeit. Nachdem uns bereits Dani von Glucke und so beehrt, folgt heute die herzliche Anna von Familie Mottes kunterbunte Welt. Anna hat sich umfangreich und in jedem Falle lesenswert Gedanken gemacht und fragt recht provokant: Ja, wollen wir diese Vereinbarkeit denn überhaupt?

Vereinbarkeit – Wollen wir das wirklich?

Ein Gastbeitrag von Anna, Familie Motte kunterbunte Welt

 

Als ich erfahren habe, dass die liebe Jessica eine Beitragsreihe zum Thema „Vereinbarkeit von Familie & Beruf“ plant, war ich sofort einverstanden mich mit einem Beitrag zu beteiligen.
Bevor ich beginne, möchte ich betonen, dass man die „Mama“ im Text natürlich auch jederzeit gegen den „Papa“ eintauschen kann. Der Einfachheit halber – und weil ich über mich schreibe – steht sie hier stellvertretend für beide Elternteile.  

 

Das Thema „Kind & Karriere“ beschäftigt wohl alle Eltern – ändert sich doch mit der Geburt eines Kindes alles. Mal eben – trotz Kind – Karriere machen ist nicht mehr so einfach. Trägt man nunmehr nicht nur für sich selbst und sein Leben die Verantwortung, sondern ist ab jetzt auch verantwortlich für dieses winzige Wesen, das aus uns eine Familie gemacht hat.
Ich möchte das Thema heute mal unter einem ganz anderen Gesichtspunkt betrachten. Dabei seien wichtige Kriterien wie Selbstverwirklichung im Job, die Tatsache dass ich gern arbeite und
auch der Aspekt, dass es schwer ist, einen Wiedereinstieg zu schaffen, wenn man lange im Job fehlt, mal außen vor gelassen. Ganz abgesehen von dem Punkt, dass auch die persönliche Rentenkasse nicht gefüllt wird.
Vielmehr möchte ich darauf eingehen, was ich mir in der derzeitigen Situation tatsächlich wünschen würde. Und das wird sicher nicht jedem gefallen.
Ich glaube, dass Vereinbarkeit von Kind & Job zwar möglich ist – behaupte aber mal ganz kühn, dass nicht jede Mama das auch wirklich möchte. Zumindest nicht solange die Kinder klein sind. Genau so geht es mir nämlich oft.
Ich will damit nicht sagen, dass wir Mamas nicht mehr arbeiten wollen. Doch, das wollen wir. Aber nicht in dem Umfang oder dem gleichen Rahmen wie vorher. Denn unser Lebensmittelpunkt hat sich verschoben. Die Kinder und Familie sind wichtiger und kommen an erster Stelle. Erst dann kommt der Job.
  
Seit wir Ende letzten Jahres erfahren haben, dass ich mit Zwillingen schwanger bin, und unsere Familie in diesem Sommer – schwupps – von einem auf drei Kinder anwächst, mache ich mir viele Gedanken über das, was kommen wird. Wie wird das sein, wenn ich drei Kinder habe und nicht nur eins? Wird es überhaupt möglich sein, die Krankzeiten der Kinder und damit Ausfallzeiten im Job zu kompensieren? Wird die Alltagslast mich dünnhäutiger machen? Werde ich – neben all den Bedürfnissen meiner Kinder – noch genug Kraft aufbringen auch im Job alles zu geben? Denn ich bin nicht naiv: je mehr Kinder, desto mehr Arbeit werden wir haben und desto mehr Organisationstalent ist gefragt.
Mir schweben Horrorszenarien vor – erst wird ein Kind krank, dann das nächste, dann das Dritte und ich fehle wochenlang im Job. Wie tolerant wird mein Arbeitgeber dann noch sein? Womöglich bin ich selbst auch noch einmal krank und fehle dadurch wieder.
Ich meistere (wie Millionen von anderen Mamas)  jeden Tag den Spagat zwischen Job, Kita, Kindererziehung, Haushalt, Partnerschaft und – derzeit auch noch Schwangerschaft. Ich habe das Gefühl die To Do – Liste wird länger und länger. Jedes Mal, wenn man stolz einen Punkt von seiner Liste streicht, kommen unten drei neue hinzu.
Und obwohl ich derzeit nur 20 Stunden/Woche vormittags arbeite – den Nachmittag also theoretisch für Erledigungen aller Art und den Haushalt frei hätte – schaffe ich nur einen Bruchteil, an manchen Tagen sogar gar nichts von dem, was sein müsste. Meine Tochter ist jetzt drei – kann sich also eine Weile selbst beschäftigen, aber eben nicht die ganze Zeit. Sie verlangt noch sehr oft nach mir, will beschäftigt werden – so wie jedes andere Kind in diesem Alter auch. Und ich genieße es ja auch, Zeit mit ihr zu verbringen – dafür sind die Nachmittage da. Das ist unsere Zeit – Mama-Kind-Zeit. Schließlich habe ich ein Kind bekommen, weil ich Zeit mit ihr verbringen möchte. Und machen wir uns nichts vor: mit zwei Babys dazu wird die Zeit dann noch knapper werden.
Da die Nachmittage also oft damit gefüllt sind, bleiben Haushalt, Papierkram, Wäsche und sonstige Erledigungen liegen und werden auf abends verschoben, wenn das Kind im Bett ist. Und auch wenn mein Mann dann fleißig mithilft: Zeit für mich = Fehlanzeige!
Soweit so gut – das geht wohl jeder Mama so und ich bin nichts Besonderes.
Und genau da frage ich mich: wollen wir das wirklich genauso? Die Belastung steigt stetig und wir kommen irgendwann an den Punkt, wo wir eben nicht mehr alles bewältigen können? Ständig rotieren, nur damit wir auch noch einem Job nachgehen können?    
Eigentlich will ich das nicht – zumindest nicht so lange meine Kinder klein sind. Damit will ich sagen: es wäre wunderbar, wenn es die Möglichkeit gäbe für – sagen wir die ersten 6 Lebensjahre des Kindes – aus dem Job auszusteigen und seine ganze Energie in das Familienleben zu stecken, ohne dass man hinterher Nachteile davonträgt.
Wie viel entspannter wäre es, wenn man Haushalt, Besorgungen und Papierkram vormittags erledigen könnte wenn die Kinder in der Kita sind und nachmittags ausschließlich Zeit für seine Kinder hätte, ohne ständig darüber nachzudenken, dass dies und jenes noch erledigt werden muss. Und abends, wenn die Kinder im Bett sind würde man zumindest ab und zu ein bisschen Zeit für sich selbst finden. 
„Kannst Du doch machen“ werden einige nun vielleicht sagen. Gibt doch Elterngeld (dass einem übrigens paradoxerweise erst steuerfrei ausgezahlt wird und dann im nächsten Jahr versteuert werden muss, was oft dann – wenn man die finanziellen Einbußen spürt, weil einer weniger arbeitet – eine horrende Nachzahlung nach sich zieht). Ja, es gibt Elterngeld – aber derzeit nur für maximal zwei Jahre. Und alles was man zusätzlich verdient, um die Kasse aufzubessern, wird einem vom Elterngeld abgezogen. Hilft nicht wirklich weiter.   
Und sind wir doch mal realistisch – ich kann nicht einfach die nächsten 5 Jahre zu Hause bleiben. Und wenn der Mann (oder man selbst) nicht gerade Tausende von Euros im Job verdient – sicher auch die meisten anderen Eltern nicht.
Erstens können wir es uns nicht leisten auf mein Gehalt zu verzichten. Hamburg ist teuer. Miete, Strom, Versicherung, Lebensmittel, Klamotten – muss ja alles bezahlt werden. Ein Gehalt reicht einfach vorn und hinten nicht.
Zweitens: in der heutigen Arbeitswelt kann man es sich einfach nicht mehr leisten lange im Job zu fehlen. Länger als zwei Jahre raus und es wird unheimlich schwierig wieder Anschluss zu finden. Ganz zu schweigen davon, dass einem die Beiträge für – die ohnehin schon mickrig ausfallende – Rentenkasse fehlen. 
Und drittens: wenn wir ehrlich sind, sind viele Arbeitgeber doch gar nicht bereit, flexibler und familienorientierter zu denken. Home Office wird in den meisten Firmen und von den – zumeist männlichen Chefs – nur sehr ungern gewährt. Fehlzeiten bei uns Mamas sind höher als bei Nicht-Eltern, müssen wir doch nicht nur zu Hause bleiben, wenn wir selbst krank sind, sondern auch, wenn unsere Kinder flach liegen. Und auch von den Nicht-Eltern-Kollegen wird man oft kritisch beäugt – die Tatsache dass man pünktlich Feierabend machen muss, weil die Kita schließt, stößt oft nicht auf besonders viel Gegenliebe.   
Wieviel einfacher wäre es, wenn man nicht ständig ein schlechtes Gewissen haben müsste, weil man sich schon wieder fehlend melden muss, weil ein Kind das andere angesteckt hat und die Krankzeit einfach kein Ende nimmt.
Es ist so: ich habe in meinem Leben vor dem Kind immer sehr gern und auch viel gearbeitet. Und auch jetzt ist es schon schön, dass man eine Aufgabe hat, die einen – abseits von Haushalt und Kind – intellektuell fordert. Dass es Kollegen gibt, mit denen man sich auch über andere Dinge als Windelinhalte, Stillprobleme oder Meilensteine meines Kindes unterhalten kann.
Aber wiegt das wirklich den stressigen Alltag auf, in dem man sich ständig am liebsten sechsteilen würde?
Natürlich möchte auch ich nicht nur als Hausfrau und Mama wahrgenommen werden. Ich möchte auch als Arbeitnehmerin ernst genommen werden, zeigen, dass ich mehr bin als nur die, die den Haushalt schmeißt und die Kinder betreut. Ich will ja auch nicht auf Dauer zu Hause hocken. Ich glaube lediglich, dass es vieles einfacher machen würde in den ersten Jahren.
Natürlich muss jede Familie für sich selbst entscheiden können, wie sie lebt und wie und in welcher Form man arbeiten gehen möchte. Aber ich will zumindest den Wunsch äußern, dass es auch diese – meine eben angesprochene – Option geben sollte.
Solch ein Modell ist – ich gebe es zu – als Alleinerziehende/r natürlich nicht konkret umsetzbar. Aber auch für Alleinerziehende müsste sich sicher noch viel bewegen. Vielleicht wäre es interessant zu hören, was ein alleinerziehender Elternteil für Vorschläge hat – da kämen sicher tolle Ideen zu Tage. 
Komplett zu Hause zu bleiben und dafür finanziell vom Staat entschädigt zu werden, ist sicher keine Lösung. Dann würden einige Menschen vielleicht auf die Idee kommen nur ein Kind zu bekommen, um finanzielle Unterstützung vom Staat zu erhalten. Das ist eine gruselige Vorstellung.
Aber vielleicht sollte es – neben dem was sowieso selbstverständlich sein sollte und notwendig ist (gute Betreuung, ausreichend Betreuungsplätze, flexible Arbeitgeber und Arbeitszeiten, Home-Office, Job-Sharing etc.) – hier und da weitere Steuervorteile geben. Oder Zuschläge für Kita, Wohnung, Urlaube oder Freizeit- und Bildungsaktivitäten. 

Der Staat müsste einfach etwas tun, um die täglichen Herausforderungen – die ein Kind so mit sich bringt – für arbeitende Eltern zu erleichtern. Ich kann jetzt kein konkretes Konzept aus dem Ärmel schütteln, aber es muss etwas passieren, damit Eltern in den ersten Lebensjahren ihrer Kinder weniger arbeiten können, ohne dass ihnen dadurch immense finanzielle und berufliche Nachteile entstehen. Damit Kinder kriegen sich lohnt und nicht belastet. Denn – auch wenn es abgedroschen klingt – Kinder sind doch unser aller Zukunft, oder?

Ebenfalls in dieser Reihe erschienen:
Und plötzlich war sie da: Die Vereinbarkeitsfrage 
Das Leben zu Dritt oder nur ein Drittel der Zeit (Gastbeitrag)
Arbeit, die sich aber lohnt! (Interview) 
Liebe unter Druck. Die Last der Vereinbarkeit?


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