Ich habe auf Twitter vor einer Stunde folgenden Tweet abgesetzt:

Mag jemand bei mir nen #Gastbeitrag schreiben zu Faszination Twitter?

— Jessi (@Terrorpueppi13) 8. Juli 2015


DASS Twitter schnell ist, wusste ich ja, aber dass Twitter SO schnell ist, hätte ich nicht mal erahnt. Nach nicht einmal 55 Minuten landete ein Gastbeitrag in meinem Email-Fach und so schnell wie er bei mir ankam, (fast) so schnell muss ich ihn euch auch präsentieren! 

Immer wieder fragen mich Menschen, warum ich denn dieses Twitterding am Laufen habe und stetig auf’s Neue stoße ich dabei auf großes Unverständnis. Erst Stück für Stück verstehen Nicht-Twitterer zumindest im Ansatz, was das ist, dieses Twitter.

Den Anfang zur Twitter-Erleuchtung macht Was geht?, der ein geschätzter Mit-Zwitscherer ist. Was geht? führt auch noch einen gleichnamigen Blog, in dem er bereits als Antwort auf meine Ode an die Tütensuppe über die Geschichte der Tütensuppe schrieb. Und auch sonst widmet sich Frank Wunderlich-Pfeiffer, den Mann hinter Was geht?mit großer Hingabe den technischen Errungenschaften der Moderne. Also schaut auch bei ihm mal vorbei, es lohnt sich!

Twitter: Die Rettung der deutschen Sprache (Gastbeitrag)

Ein Gastbeitrag von Wasgeht?
 
Die Sache mit der Eisdestillation funktioniert übrigens tatsächlich. http://t.co/Our5LreVl8 pic.twitter.com/dir448jS0g

— Was Geht? (@tp_1024) 8. Juli 2015


Man sollte nicht glauben, dass 140 Zeichen für irgendetwas reichen. Schon gar nicht für eine Unterhaltung. Aber der Mensch ist ein merkwürdiges Tier. Um so größer die Einschränkungen sind, um so größer wird die Kreativität, mit der der Mensch mit den Einschränkungen umgeht. Und so entstehen auf Twitter jeden Tag einzelne Sätze, die wirklich gut sind. Sätze, die wirklich durchdacht sind. (Und Sätze, die wirklich nur dann peinliche Tippfehler haben, wenn sie fünfhundertmal Retweetet werden.) 


Niemand würde in einem normalen Text darauf kommen, jeden einzelnen Satz fünf mal im Kopf umzuformulieren um eine Idee irgendwie doch noch etwas besser auszudrücken. Bei einzelnen, sehr wichtigen Sätzen vielleicht. Aber auf Twitter bleibt einem oft nichts anderes übrig. 

Ständig will man in den 140 Zeichen etwas sagen, wofür man eigentlich noch einen ganzen Satz mehr bräuchte und das macht kreativ. Wo sonst würde ich schon das Präteritum verwenden, wo wir von der Vergangenheit doch immer im Perfekt sprechen. Aber „Sie ist gegangen.“ ist für Twitter oft viel zu lang. Auf Twitter sagt man dann „Sie ging.“ Das spart 8 wertvolle Zeichen.

Am faszinierendsten ist aber, dass trotzdem kaum Abkürzungen vom Stil eines HDGDL verwendet werden. Natürlich gibt es Leute, die es versuchen. Sie lassen Vokale aus Wrtrn wg um doch noch den Satz in den Tweet zu quetschen, aber das sind Anfänger. 

Ein echter Twitterer hat seinen Stolz und drückt ihn mit (meistens) korrekter Grammatik und Rechtschreibung aus. Und so wird dann so mancher sprachlicher Kniff aus jener verstaubten Kiste geholt, die man eigentlich nach den Deutschstunden in der Schule fest verschlossen und den Schlüssel weggeworfen hatte. Nun weiß ich nicht, ob Twitter die Rettung des Genitivs sein wird. Aber entgegen aller Spötter hat das, was sprachlich auf Twitter geboten wird, ein sehr viel besseres Niveau als man vermuten würde.


Auch auf Twitter ist der #Dativ dem #Genitiv sein Tod.

— Jessi (@Terrorpueppi13) 28. Juni 2015


Natürlich ist Twitter kein Allheilmittel. Man lese nur diesen Text. Ich schreibe immernoch genauso gern, genauso lange Sätze wie zuvor. Ich kann es einfach nicht lassen, denn ich schreibe gerne so, wie ich denke. Ohne die kleine Zahl unten rechts im Fenster, die mir sagt, dass ich noch genau 35 Zeichen habe um zu sagen, was ich sagen muss, brechen alle Dämme.

Nur manchmal, wenn es mir auffällt, gehe ich zurück. Wie auf Twitter. Und schreibe den Satz nochmal. Kürzer und mit allem was ich sagen wollte.