Es gibt Themen, die finde ich unglaublich spannend, aber kann selbst darüber gar nicht schreiben, einfach weil ich keine Ahnung davon habe – jedenfalls keine, die auf Erfahrung basiert. Zweisprachigkeit von Kindesbeinen an, gehört dazu. Ich beneide diejenigen, die mit einer zweiten Muttersprache gesegnet sind und dank Wiktoria weiß ich nun auch genauer, dass zweisprachige Erziehung irgendwie auch harte Arbeit ist. Wiktoria hat einen Mama-Blog und ich freue mich wirklich sehr, dass sie heute mein Gast ist! Aber lest selbst, es lohnt sich!

Die zweisprachige Erziehung – Praxis trifft Theorie

Zweisprachig aufzuwachsen ist ein Geschenk. Ich selbst darf die deutsche und die polnische Sprache als meine Muttersprachen bezeichnen.
Dass meine Kinder zweisprachig erzogen werden sollen war mir immer klar. Auch wenn ich die erschwerenden Bedingungen – ein deutscher Mann und die deutsche Umgebung – immer gesehen habe.
Was bringt eine zweisprachige Erziehung überhaupt? Abgesehen von den Kenntnissen zweier Sprachen? Nun, aus eigener Erfahrung kann ich sagen: man lernt andere Sprachen einfach leichter, denn man ist es von klein auf gewohnt, mit mehreren Sprachen zu jonglieren. Sprachen waren immer „mein Ding“, meine ebenfalls zweisprachig erzogenen Geschwister hatten in diesen Schulfächern ebenfalls nie Probleme, meine Schwester studierte gar Sprach- und Literaturwissenschaften.

Bilinguale Kinder gelten als offener, toleranter. Sie lernen von Anbeginn den Umgang mit anderen Kulturkreisen (auch wenn die kulturellen Unterschiede natürlich teilweise marginal sein können). Sie kennen zwei Welten, können leichter Brücken zwischen Mentalitäten schlagen. Sie können sich dynamischer an fremde Situationen und Gegebenheiten anpassen. Mehrsprachler haben auch später einen enormen Job-Vorteil: wer mehrere Muttersprachen beherrscht, hat in international aufgestellten Unternehmen immer gute Karten.
 

One parent – one language

Am besten vermittelt man seinen Kindern zwei Sprachen über das „one parent one language“ Verfahren. Ein Elternteil spricht konsequent die eine Sprache, das andere Elternteil die andere. Es wird eine Familiensprache festgelegt.
Es ist doch nun mal so: als Kind lernt man Sprachen „nebenbei“. Vor allem durch das Hören der Sprachen verbinden Kinder die Begriffe mit ihren Bedeutungen. Später als Erwachsener fällt einem das schon deutlich schwerer. Eine Sprache zu lernen ist eine bewusste Entscheidung, die bewusste Lernprozesse in Bewegung setzt.
Auf das anderssprechende Elternteil kommen Herausforderungen zu. Man muss sich einfach der Verantwortung bewusst sein, die man auf sich nimmt. Man verlässt die Komfortzone des intuitiven Selbstlernens des Kindes und entscheidet sich bewusst dafür, seinem Kind eine zweite Sprache mitzugeben. Das heißt aber auch, dass man eben die Zweitsprache konsequent anwenden muss. Und zieht man es dann durch, muss man sich mitunter Blicke und Kommentare gefallen lassen, warum man denn nicht mit der Landessprache mit dem Kind spricht, obwohl man es doch könnte.
Wie schafft man es, dass die zweisprachige Erziehung ein Erfolg wird? Wird das Kind motiviert, die zweite Sprache anzuwenden, wird es dies auch tun. Bekommt es seinen Willen auch ohne die zweite Sprache, wird es schon bald die Lust verlieren, diese zu benutzen. Es braucht sie ja nicht. Je besser die Bezugspersonen die Sprache sprechen, desto besser kann diese vermittelt werden. Eine Sprache lernt sich am besten wenn Gefühle, Mimik und Gestik mit transportiert werden.

Das war die Theorie – Nun kommt die Praxis

Soweit die Theorie. Soweit der Plan. Da ich jeden Tag 10 Stunden mit meiner Tochter alleine zu Hause bin, war klar: mit ihr sprichst Du nur polnisch.
Leider musste ich mich schon schnell meiner deutschen Realität geschlagen geben. Meine Sprache ist nun mal deutsch. Ich denke auf deutsch, ich führe meine Selbstgespräche auf deutsch und ich träume auf deutsch. Natürlich beherrsche ich polnisch, aber die dominierende Alltagssprache ist sie nicht. Jeder polnisch gesprochene Satz ist eine bewusste Entscheidung gegen das deutsche Wort. Und es fällt mir tatsächlich schwerer als ursprünglich angenommen.
Der Idealfall in meiner Familie wäre: alles was ich zu meiner Tochter ohne Bezug zum Papa sage, sage ich auf polnisch. Der Rest wird in der Familiensprache deutsch kommuniziert. Ich möchte ehrlich sein: ich schaffe es bisher nicht. Ich gebe mir wirklich Mühe, dennoch muss ich mich immer dafür entscheiden. Zum Glück leben meine Eltern in meiner Nähe. Sehen wir uns, sprechen wir selbstverständlich polnisch. Keiner würde auf die Idee kommen, in unserem Kreis deutsch zu sprechen – sofern kein deutschsprachiger Partner anwesend ist (wir Kinder sind alle mit Deutschen zusammen). Mein schlechtes Gewissen wird also dadurch gemildert dass meine Tochter durch ihre Großeltern viel polnisch hört und die Sprache somit trotzdem Teil ihres Lebens ist. Generell gilt es als hilfreich, wenn weitere Bezugspersonen ebenfalls in der zweiten Sprache sprechen. Dies ist mit meinen Eltern zum Glück gegeben. Eine Ausrede für mich ist es aber nicht.
Um mir das Leben leichter zu machen, bediene ich mich auch helfender Medien. So lese ich ausschließlich polnische Geschichten vor, Bilderbücher werden mit den polnischen Begriffen erklärt. So versuche ich auch in meinem Kopf der polnischen Sprache mehr Raum zu geben.
 


Von der Sprache zur Kultur 

Doch es ist nicht nur die Sprache, die ich meiner Tochter vermitteln möchte. Es ist auch die Mentalität. Deutsche und Polen – obgleich beide Europäer, Unterschiede gibt es schon. Ich selbst bin wohl eine gelungene Mischung aus beidem geworden. Da ich schon mein ganzes Leben in Deutschland lebe, aber komplett polnisch erzogen worden bin haben mich einfach beide Länder beeinflusst. Und ganz ehrlich: ich mag die Mischung. Nur deutsch zu sein, wäre mir manchmal zu geradlinig, zu ordentlich. Nur polnisch zu sein, wäre mir wiederum zu chaotisch, zu frei heraus. Was sind denn die Unterschiede?
Während der Deutsche eine respektvolle Zurückhaltung Fremden gegenüber hegt, umarmt der Pole den Fremden erst einmal, lädt ihn auf ein Bier oder einen Vodka ein und frägt dann nach, wer eigentlich vor ihm sitzt. Während für den Deutschen die Frage „wie geht’s?“ eher ein Einstieg zum Gespräch ist, will der Pole mit der gleichen Frage wirklich wissen, wie es den Kindern geht, ob die Erkältung ausgestanden ist und ob die Frau Mutter sich vom Sturz letzte Woche erholt hat. Während ein Deutscher bei einer Verabredung um 16 Uhr gerne mal um 15.50 Uhr vor der Tür steht, kann es beim Polen gerne mal 16.30 Uhr werden. Oder noch später. Was ihm allerdings kein Mensch übel nehmen würde. Während ein Deutscher stolz sagt, er sei Geschäftsführer des Marktführers seiner Branche, ist der Pole nur der Aufpasser für einen Haufen Verrückter in einer kleinen unwichtigen Firma (und dabei reden beide von genau der gleichen Position).
Man kann es nicht leugnen, die polnische und die deutsche Mentalität sind unterschiedlich. Wie war das mit den Brücken? Ich hoffe von mir behaupten zu können dass mir der Brückenbau entlang der beiden Länder an der Oder gelingt.
Unserer Tochter wollen wir beide Seiten beibringen. Pünktlichkeit aber auch Entspanntheit. Den Anderen und dessen Zeit ernst zu nehmen, sich aber nicht zu versteifen. Offenheit Fremden gegenüber, aber nicht völlige Naivität. Stolz auf die eigenen Leistungen sein zu können, aber dabei nicht in die Prahlerei zu verfallen. Ob uns dieses kleine bescheidene Ziel gelingen wird? Das sehen wir in einigen Jahren, wenn aus unserer Einjährigen ein eigenständig denkender und für sich selbst verantwortlicher Mensch wird.

 

Und hoffentlich ein Mensch, der fließend deutsch und polnisch kann.
 


Über Wiktoria’s Life

Wiktoria’s Life ist noch ein junger Familienblog der sich mit der Frage beschäftigt wie man sich als Frau verändert sobald man Mutter wird. Wie sich das Leben verändert. Es geht um zweisprachige Erziehung. Häkeln, Reisen und der normale Alltagswahnsinn.

 
Wiktoria ist 30, Deutsche und Polin, Mama vom einjährigen Mausi.
 
…und hier findet ihr Wiktorias Blog!
 
 
 
Ich danke dir liebe Wiktoria! Ich habe aus deinen Worten viel mitgenommen und bin mir sicher, dass auch viele andere, die der Zweisprachigkeit gegenüber aufgeschlossen sind, deinen Beitrag mit Interesse lesen.
Die zweisprachige Erziehung – Praxis trifft Theorie | Terrorpüppi Reflektiert, bedürfnisorientiert, gleichberechtigt