Es war einmal ein TV-Sender. Der KiKA. Den schaut meine Tochter ab und an. Ich geb es zu, denn ich finde nichts dabei. Abends kommt zum Beispiel das Baumhaus mit anschließendem Sandmann. Es kommt durchaus auch vor, dass die Püppi schon etwas früher damit anfängt, KiKA zu schauen oder eben im Anschluss an den Sandmann weiterzugucken. Zum Ende meiner Schwangerschaft und auch in den ersten Tagen nach Sohnemanns Geburt uferte das Ganze zudem etwas aus. Wenn die Püppi mal krank ist – was sie glücklicherweise sehr selten ist – dann darf sie sogar richtig viel KiKA gucken. Es ist wie es ist.

So ergab es sich jedenfalls, dass ich im Laufe der Zeit das Programm des Kinderkanals besser kennenlernen durfte.  Für jeden Geschmack und jede Altersstufe ist eigentlich etwas dabei. Zwar gibt es einzelne Serien, die ich ganz schrecklich finde – aus sehr unterschiedlichen Gründen – aber die darf meine Püppi teilweise sowieso nicht schauen. Altersbedingt. Ich muss zugeben, dass ich mir bisher eher Gedanken über Kinderbücher denn über Kinderserien gemacht habe.

Da passierte es, dass ich über einen Facebookbeitrag stolperte.
Eine Mama erzählte von ihrer 7-jährigen Tochter. Diese habe aus eigenem Antrieb heraus dem KiKA geschrieben. Genau genommen hat sich das Mädchen beim KiKA beschwert: Ihr fehlten im Vorabendprogramm  – direkt nach dem Sandmann, also zur besten Sendezeit – die weiblichen Heldinnen. Abgesehen von Mia and me, welche dem Mädchen zu sehr rosa-glitzermäßig sei, wären starke weibliche Hauptfiguren abwesend.

Ich dachte nach. Peter Pan, Yakari, Mogli, Wickie. Allesamt Jungs. Und Mia eben (die ich vielleicht mal an anderer Stelle diskutiere). Die Pluralität bei den Rollenbildern ist definitiv ausbaufähig. Zumindest gibt es unterschiedliche und teilweise vergleichsweise starke weibliche Nebenfiguren. Wenigstens. Das fand auch der KiKA, welcher in seiner Antwort an das Mädchen ebenfalls unterstrich, dass die männlichen Figuren fast alle starke weibliche Charaktere an ihrer Seite hätten, welche doch ebenso clever, klug und abenteuerlustig seien. Soweit so gut?

Nein, eigentlich nicht gut, aber noch kein großes Drama. Veränderung kommt langsam. Zumindest sind es nicht mehr ausschließlich Prinzessinnen und Hausfrauen. Doch der eigentliche Knaller in diesem Facebook-Posting ist dann die Schilderung des zweiten Teils der KiKA-Antwort: So orientiere sich der KiKA bei seiner Programmplanung an der aktuellen Lebenswelt.

Jetzt wird es für mich doch interessant. So richtig interessant. Das weibliche Geschlecht spielt demnach in der aktuellen Lebenswelt lediglich eine Nebenrolle. In dieser darf Frau bzw. dürfen Mädchen clever, stark und abenteuerlustig sein, aber VOR der Frau bzw. VOR dem Mädchen steht dann doch der noch stärkere, clevere und abenteuerlustigere Mann bzw. Junge.

Man könnte nun einfach mal annehmen, dass dies in der gesellschaftlichen Breite tatsächlich typischerweise so sei. Die geschlechtliche Ungleichheit würde auf diese Weise sehr verkürzt zwar, aber abgebildet sein. Am Ende steht Frau – normalerweise – eben in der zweiten Reihe. Weniger Karriere, weniger Geld, weniger Anerkennung, weniger Rente.
Mehr Karriere, mehr Geld, mehr Anerkennung und mehr Rente gibt es nur in rosa-glitzer Lebenswegen. Germanys Next Topmodel lässt grüßen.

Doch was will der KiKA damit eigentlich all den kleinen Mädchen und auch den Jungen, die ja ebenso geprägt werden, vor den Bildschirmen sagen? Mädchen, seid bitte auch stark, klug und abenteuerlustig! … aber an der Seite eines Mannes? Und ihr Jungs, ihr seid stark, klug und abenteuerlustig, ihr rettet und beschützt die Mädchen, welche euch zum Dank den Rücken freihalten?

Reicht es ernsthaft, die aktuelle Lebenswirklichkeit abzubilden, indem man die üblichen Rollenmuster reproduziert und damit weiter verhärtet? Sollte nicht gerade ein TV-Sender wie der KiKA, der definitiv nicht mit RTL und Co in eine Ecke zu stellen ist, in dieser Hinsicht höhere Ansprüche an sich selbst stellen und etwas reflektierter so einen Brief verfassen? Und nicht nur den, sondern auch die Programmgestaltung reflektierter vornehmen?

Kinder identifizieren sich mit fiktiven Figuren. Sie wollen sein wie sie. Fiktive Figuren haben damit die Chance, Kinder zu stärken. Ihnen zu zeigen, dass sie alles werden können. Dass sie alles sein können, was sie sein wollen. Eine Orientierung an der aktuellen Lebenswelt im Sinne einer reinen Abbildung kann da einfach nicht genug sein! Jungen wie Mädchen müssen sehen und erleben können, dass das Geschlecht keine Rolle dabei spielt, welchen Weg ein Mensch einschlägt.

Natürlich sollten Mädchen Prinzessin sein dürfen, ebenso Hausfrau, Erzieherin, Krankenschwester, Friseurin, Stewardess oder meinetwegen auch Model. Doch genauso selbstverständlich sollte es sein, dass Mädchen Konzernchefin, Ingeneurin, Ärztin, Automechanikerin, Pilotin oder Feuerwehrfrau werden wollen.

Natürlich sollten Jungs von einer Karriere als Fußballstar, Weltraumfahrer, Feuerwehrmann, Polizist oder Baggerfahrer träumen können. Doch ebenso selbstverständlich sollte es für Jungs sein, Kinderkrankenpfleger, Erzieher, Grundschullehrer, Hausmann, Sekretär oder Flugbegleiter zu werden.

Kinder, egal welchen Geschlechts, dürfen aus meiner Sicht nicht in bestimmte Rollen gedrängt und von anderen ferngehalten werden. (Kinder-)Medien und Spielzeug nehmen da eine nicht unwesentliche Rolle ein, sind unsere Kinder doch mit diesen im besonderen Maße konfrontiert. Geschlechterstereotype und Erwartungen an typische Lebenswege manifestieren sich hier enorm. Ein TV-Sender, der verantwortungsvolles Kinderfernsehen produziert bzw. auszustrahlen versucht, darf sich daher nicht einfach aus der Affäre ziehen, indem einfach nur auf die aktuelle Lebenswirklichkeit verwiesen wird. Ich verlange da mehr Fähigkeit zur Reflexion. Vor allem aber erwarte ich mehr Feingefühl beim Beantworten eines Briefes an ein kleines Mädchen.

Dieses Mädchen wünscht sich mehr weibliche Heldinnen. Heldinnen in der ersten Reihe und nicht nur als Beiwerk der männlichen Protagonisten. So einem Mädchen zu sagen, dass es sich mit Nebenrollen zufrieden geben soll, weil dies doch der gesellschaftlichen Wirklichkeit entspreche, stärkt nicht ihr Selbstbewusstsein. Ganz im Gegenteil: Dem Mädchen wird letztlich gesagt, dass es sich nicht so haben solle, denn das sei nun mal die Realität. Mädchen dürfen auch abenteuerlustig, klug und mutig sein, aber eben in der zweiten Reihe.

Gib dich doch mit dieser dir zugewiesenen Rolle zufrieden mein Kind, ist doch schließlich auch schön dort.

Aber ist das die Welt, in der wir auch zu zukünftig leben wollen? Ist das die beste aller möglichen Welten für unsere Kinder?