Als mich dieses Gedicht erreichte, schrie es mich beim Lesen an. Es ist das Gedicht eines Kindes. Eines Kindes, das obwohl es seinen Schmerz hinaus schrie, nicht gehört worden ist. Die Autorin schrieb es während ihrer Kindheit. Sie erzählte mir, dass ihr Dinge widerfahren sind, über die sie damals mit niemanden wagte, zu sprechen. Damals.


Gewalt kommt oft sehr leise daher. Der Kreis der Mitwisser wird fast immer so klein wie möglich gehalten. Von den Tätern, von den Opfern. Schweigen. Wegsehen.

Versuche, bei Gewalterfahrungen Hilfe zu finden, sind noch lautloser. Dem Kind von damals halfen einzig Gedichte, um mit dem Erlebten irgendwie zurecht zu kommen. Sie zeigte ihre Gedichte ihrer Familie, der Lehrerin. Sie bekam Lob für ihre Kunst, aber niemand verstand. Niemand verstand, was sie da zwischen den Zeilen hinaus schrie in die Welt.
Vergangenheit
 
Langsam schweife ich umher,
Erinnerungen sind verhasst,
Auf der Suche nach der inneren Wiederkehr,
Wie ein tiefes bodenloses Fass.
 
Doch plötzlich sehe ich ein Licht,
Am Ende des scheinbar endlosen Tunnels der Erinnerung,
Wie gern würde ich,
Dies erlöschen, nur mit einem einzigen Sprung.
 
Es wird heller,
Ich spüre, wie es mich lähmt,
Gehe trotzdem immer schneller,
Und es mich ganz tief drinnen beschämt.
 
Mein Vertrauen ist missbraucht,
Vergessen ist nicht möglich,
Furcht dafür aufgetaucht,
Hoffnung töricht.
 
Tiefe Stille,
Das Licht verliert langsam seinen Glanz, unerlaubt,
Mein Herz pocht ganz laut,
Schwarz die Nacht sich nun fülle.
Anonyme Autorin
Ich danke der Autorin dieses Gedichts für den Mut, es heute als Erwachsene zu veröffentlichen. Zugleich respektiere ich ihren Wunsch, nicht mehr als das über ihre Geschichte zu schreiben. Es ist ihre Vergangenheit und sie wünscht sich nur eins, nämlich dass Kinder, die heute Erfahrungen wie sie machen müssen, gehört werden. Die stummen Schreie dürfen nicht ungehört bleiben. Müssen. Denn nicht gehört zu werden, ist ein zweites Mal Gewalt. Lasst uns achtsam sein. Hören wir unseren eigenen Kindern zu und lasst uns auch die anderen Kinder nicht aus dem Blick verlieren. Es sind so viele. Viel zu viele.

Lautlose Gewalt | Terrorpüppi | Gedicht eines Kindes über seine Gewalterfahrungen und Misbbrauch

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Dieser Beitrag unterstützt auch die Aktion „Blogger gegen Gewalt an Kindern“ #BGGAK