Die bedürfnisorientierte Eingewöhnung meines Sohnes in die Kita ist nun geschafft! Also eigentlich und dann doch wieder nicht: Sie ist geschafft, weil mein Sohn nun regelmäßig in die Kita gehen wird. Unsere selbst gesetzten Ziele der Eingewöhnung sind erreicht. So lässt er sich nicht nur recht friedlich abgeben, sondern spielt vor allem friedlich und frei während meiner Abwesenheit. Er lässt sich von seiner Erzieherin trösten und geht zwischendurch, wenn er es braucht, zu ihr, um zu kuscheln. Mittags isst er gemeinsam mit den anderen Kindern und nach dem Mittagessen schläft er nun seit letzter Woche auch dort. 7,5 Wochen nach Beginn der Eingewöhnung.

In meinem heutigen Beitrag möchte ich auf eben jene Dauer und die Vereinbarkeit mit dem Beruf eingehen.

 

Die Variablen einer erfolgreichen Eingewöhnung

So eine Eingewöhnung wird von wirklich vielen Variablen beeinflusst. Die für das Kind letztlich gute, notwendige Dauer ist nicht mal eben genau vorherzusagen. Enormen Einfluss haben sicher folgende Punkte:

  • Die Art der Bindung (sicher gebunden? ambivalent-unsicher, unsicher-vermeidend?)
  • Das Temperament des Kindes
  • Das Alter des Kindes
  • Die Bezugsperson in der Kita – und ihre Fähigkeit, bedürfnisorientiert zu agieren und eine Bindung zum Kind aufzubauen
  • Rahmenbedingungen in der Kita (Was für eine Eingewöhnung wird zugelassen?)
  • Persönliche Rahmenbedingungen: Wie viel Zeit bringt die eingewöhnende enge Bezugsperson (Mutter, Vater, Elter, Oma, Oma…) mit?
  • Die eigene Haltung zur Eingewöhnung und zur Art der Betreuung

Es hat sich definitiv gelohnt, dass wir uns weit mehr als die oft üblichen drei Wochen Zeit genommen haben. 7,5 Wochen waren es – wobei wir mit der Eingewöhnung anfingen, da war er 11 Monate alt.

Auch Bezug nehmend auf einige Kritik, die ich zu meinem letzten Text lesen durfte, möchte ich an dieser Stelle betonen, dass ich an nachfolgender Aussage festhalte:

„Ein sicher gebundenes 12-Monate altes Kind ist nicht mal eben in einer Woche in eine Umgebung eingewöhnt, in der er noch keine Bindung zu den Menschen dort hat.“

Diese Aussage bezieht sich auf ein recht konkretes Alter, auf eine ganz spezifische Bindung (die nicht gleichzusetzen ist mit einer individuell als eng empfundenen Beziehung) und auch noch auf die Eingewöhnung – als erfolgreich abgeschlossen.

Was es nicht bedeutet…

Diese Aussage bedeutet nicht, …:

  • …dass 12 Monate alte, sicher gebundene Kinder nicht schnell neugierig die neue Kitaumgebung erkunden können (Kinder können die neue Situation als spannend und beängstigend zugleich empfinden!)
  • …dass beispielsweise ein dreijähriges und sicher gebundenes Kind nicht innerhalb einer Woche eingewöhnt werden kann. (Das Alter, der Entwicklungsstand und auch die jeweilige Entwicklungsphase sind so entscheidend!)
  • …dass jedes 12 Monate alte Kind sicher gebunden ist. (Wenn man manch Kommentator*in Glauben schenken soll, dann kann man sicher gebundene Kinder bei jedem Fremden ohne jede Eingewöhnung lassen. Das ist schlicht Quatsch!)
  • …dass jede Eingewöhnung mit vielen und andauernden Tränen verbunden sein muss. (Im Gegenteil: Kinder können Stress und Kummer auch jenseits von Tränen ausdrücken).

Klar, würde es mich freuen, wenn alle Kinder sicher gebunden wären und Eingewöhnungen obendrein noch super schnell innerhalb einer Woche klappen würden. Tun sie aber nicht, denn so eine Eingewöhnung hat immer mit Bindung zu tun und immer auch mit den Fähigkeiten des Kindes, sich selbst zu regulieren. Letzteres ist um so geringer ausgeprägt, je jünger das Kind nunmal ist.

Zudem sind auch die Bindungstypen unsicher-ambivalent und unsicher-vermeidend nicht pathologisch! Sind Kinder aber so gebunden, dann muss eben genau das auch bei der Eingewöhnung berücksichtigt werden – etwa indem man sich trotzdem viel Zeit nimmt, obwohl das Kind nicht weint und tobt. Wichtig ist doch, dass wir wirklich hinschauen. Auf unser Kind! Was braucht es wann und wie?

Bedürfnisorientierung oder nicht?

Dabei geht es mir auch darum, dass Bedürfnisorientierung aus meiner Sicht zwar für eine ganz spezifische Haltung steht, aber in der Praxis doch vor allem als ein graduelles Konzept zu verstehen ist. Die Welt teilt sich eben nicht in die bedürfnisorientierten Eltern einerseits und überhaupt nicht bedürfnisorientierte Eltern andererseits. Betreuungseinrichtungen und Betreuungspersonen ebenso wenig. Nur sehr krasse Extreme könnte man so verorten und von gesunden Elternschaften und Institutionen kann dann sicher nicht mehr die Rede sein. Stattdessen sind insbesondere Kitas mehr oder weniger bedürfnisorientiert – und dann hängt so verdammt viel auch noch von den einzelnen Erzieher*innen und ihren Beziehungen zu den Kindern ab. So kann Kita in einer Gruppe sehr bedürfnisorientiert ablaufen und schon eine Tür weiter nur sehr wenig. Selbst dieselbe Erzieherin wird bei unterschiedlichen Kindern unterschiedlich feinfühlig sein.

Arbeitende Eltern und endlose Eingewöhnung? Bedürfnisorientierung, Kita und Job | Terrorpüppi | Reflektiert, bedürfnisorientiert, gleichberechtigt

Kita – Der Rahmen, den ich kaum ändern kann

Mein Sohn geht in eine ziemlich normale Kita – in dieselbe, in die auch meine Tochter bereits geht. „Ziemlich normal“  soll heißen, dass hier keine explizit spezifische pädagogische Ausrichtung vorliegt. Hier wird kein Schwerpunkt auf musische Ausbildung, Montessori, die Erkundung der Natur oder ähnliches gelegt – und eben auch nicht explizit auf Bedürfnisorientierung.

Zudem handelt es sich um eine öffentliche Kita in einem multi-kulturellen Umfeld. Viele Nationalitäten und damit Migrations- und vor allem Sprachhintergründe sind unter den Kindern vorhanden. Für viele ist deutsch nicht die Muttersprache. Nicht nur aus diesem Grund handelt es sich um eine Integrativ-Sprachkita. Eine sprachpädagogische Fachkraft begleitet die Erzieherinnen wie auch die Kinder durch den Kitaalltag. Alle Kinder. Alle Erzieherinnen.

Gut, Integrativ- und Sprachkita – klingt vielleicht doch ein wenig außergewöhnlich(er), ist es aber nicht. Hier in Berlin zumindest nicht. So geht es nicht darum, dass nun alle Kinder plötzlich chinesisch lernen sollen, sondern schlicht um die deutsche Sprache. Wortschatz, Aussprache, Grammatik.

Zudem schätze ich es, dass in dieser Kita Kinder noch Kinder sein dürfen. Es gibt gerade keine extensive Frühförderung, sondern angemessene Angebote im Alltag. Ab und an auch mal was Besonderes. Also viel Basteln, freies Spiel, Bücher vorgelesen bekommen, auf dem Spielplatz toben. Durch die Flure jagen und auch kuscheln. Auch viel selbständiges und eigenverantwortliches Handeln.

Die anderen Eltern – die anderen Kinder

Unsere Kita ist wirklich ausgesprochen heterogen. Die verschiedenen Nationalitäten und die zahlreichen Muttersprachen habe ich ja schon erwähnt. Doch es gibt auch wirklich sehr unterschiedliche Erziehungsstile: Längst nicht alle sind als sonderlich bedürfnisorientiert einzuschätzen.

Auch ist von bildungsnah bis bildungsfern alles dabei. Von ökonomisch gut situiert bis Hartz IV. Von Ein-Kind-Eltern, Alleinerziehenden bis Großfamilien. Ein großes Abbild unserer Gesellschaft.

Es gibt entsprechend auch Eltern und Erzieher*innen mit sehr vielen verschiedenen Vorstellungen davon, was eine gute, ja eine richtige Eingewöhnung so ist. So gibt es eben auch Eltern, denen kann es gar nicht schnell genug gehen. Am liebsten würden die so eine Eingewöhnung ganz ausfallen lassen. Mit meiner eher ausgeprägten Bedürfnisorientierung bin ich doch eher ein Ufo, denn ein Otto-Normal-Elter. Ebenso machen auch die Erzieherinnen unterschiedlich Tempo bei der Eingewöhnung.

Von den Tücken des Personal- und Betreuungsschlüssel

Als öffentliche Kita in Berlin unterliegt unsere Kita (unglücklicherweise) einem Betreuungsschlüssel, welcher eine durchgehende Bedürfnis-und Bindungsorientierung in jedem Falle stark erschwert. Aber die Erzieherinnen dieser Einrichtung geben ihr Bestes. Problematisch bleibt es natürlich gerade für solche Kinder, die nicht schnell in den Kitaalltag integrierbar sind. Solche Kinder fallen da mit ihren besonderen Bedürfnissen häufiger hinten runter. Das kann ich nicht schön reden – allerdings kann ich mit Blick auf meine eigenen Kinder ein Stück weit dafür sorgen, dass sie nicht diese Kinder sind/ werden.

Und wenn sie es doch werden, wenn es einfach nicht (mehr) passen sollte, dann steht für mich außer Frage, dass wir eine andere Lösung finden würden. Meine beiden Zwerge gehen vor. Das habe ich auch in den letzten Wochen während dieser Eingewöhnung im Hinterkopf gehabt. Ganz weit hinten, aber durchaus abrufbar.

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Bedürfnisorientierung, arbeitende Eltern und „Fremdbetreung“

Aus meiner Sicht bedeutet bedürfnisorientierte Elternschaft nicht automatisch, dass ein Elternteil zu Hause bleiben muss. „Fremdbetreuung“ ist nicht per se abzulehnen. Und auch wenn ich denke, dass Babys und (kleine) Kleinkinder keine Kita brauchen (und auch so schnell kein Bedürfnis danach haben), so glaube ich dennoch nicht, dass „Fremdbetreung“ automatisch schadet. Würde ich das nur ansatzweise denken, hätte ich meinen Sohn jetzt nicht eingewöhnt. Meine Tochter zuvor ebenso wenig.

Die Nachteile von „Fremdbetreuung“ kompensieren

Eine gute sichere Bindung, ein kontinuierliches Sehen der kindlichen Bedürfnisse und die Bereitschaft (sofern irgendwie machbar) das Berufliche vergleichsweise stark an die Grenzen der externen Betreuung anzupassen, können verdammt viel kompensieren. Dazu gehört auch: Urlaub von der Kita nehmen und die Nachmittag sowie die Wochenenden bewusst miteinander zu verbringen.

Wichtig ist und bleibt, wirklich hinzusehen. Was brauchen die Kinder nach einem langen, anstrengenden Kitatag? Einer Kitawoche? Vielen Kitawochen?

In die Kita zu gehen, ist harte Arbeit für Kinder. Das sollten wir Eltern nie vergessen. In der Kita lernen sie verdammt viel und müssen zugleich permanent kooperieren. Sie nehmen sich zurück – und das kostet viel Kraft. Auch eine Eingewöhnung ist sehr anstrengend. Alles neu, alles anders. Überwältigend.

Und wir – ihre wichtigsten Bezugspersonen – sind die ganze Zeit nicht da.

Wie gut das Kinder wegstecken, ist ganz individuell. So gibt es Kinder, die gehen problemlos 7h in die Kita. Anderen geht es mit mehr als drei Stunden nicht mehr gut.

Arbeitszeiten

In diesem Sinne bin ich mir auch meiner privilegierten Position bewusst: Denn nicht jede*r kann ihre/seine berufliche Situation flexibel anpassen. Auch können die Sachzwänge sehr groß sein und ein frühes Arbeiten in Vollzeit für beide Partner absolut notwendig sein. Ebenso kann auch das individuelle Bedürfnis, wieder arbeiten zu gehen, sehr stark ausgeprägt sein. Wir Eltern können eben immer nur innerhalb eines gewissen Rahmens agieren.

Dieser Rahmen ist zum Teil von außen gesetzt, zum Teil aber auch von uns selbst gesteckt. Meiner Erfahrung nach lässt sich für so manch Zwang doch auch eine andere Lösung finden. Oft sind es ja schon Kleinigkeiten, die eine Situation entschärfen. Ich zum Beispiel habe zuvor ein wenig Überstunden gezielt aufgebaut, um während der Eingewöhnung nicht jeden Tag den Druck der vollen Arbeitszeit verspüren zu müssen. Außerdem habe ich ein wenig früher mit der Eingewöhnung begonnen, um noch mehr Zeit für selbige zu haben.

 

Endlose Eingewöhnung?

So eine Eingewöhnung kann sich immer ziehen, denn auch Krankzeiten können ja nicht geplant werden. Nach Möglichkeit sollte aus meiner Sicht nicht zu knapp mit der Eingewöhnungszeit geplant werden, da sonst der Druck zu groß wird – und eben diesen spürt dann auch das Kind. Kinder sind keine Roboter, die planmäßig nach drei Wochen eingewöhnt sind. Manche oder gar viele sind es dann bestimmt auch, aber eben längst nicht alle. Wenn dann die Bezugserzieherin zwischendurch ausfällt oder man selbst bzw. das Kind krank wird, dann dauert es noch mal länger.

7,5 Wochen mag jetzt für einige lang klingen. Zugegeben, es gab Tage, da kamen auch bei mir leise Zweifel auf. Denn obwohl es stetig Woche für Woche Fortschritte gab und ich deshalb auch insgesamt positiv auf die Entwicklung der Eingewöhnung blickte, gab es eben auch Rückschläge. Einige Male fragte ich mich, wie lange das noch gut gehen kann mit Job und Eingewöhnung so parallel. Langsam waren die Überstunden nämlich auch abgebaut. Klar ist, irgendwann wären wir beruflich an unsere Grenzen gekommen. Denn auch Sohnemanns Papa muss ja wieder arbeiten und hat auch andere Verpflichtungen.

Endlos hätte es nicht werden dürfen. Doch für „endlos“ hätten wir viel mehr Probleme haben müssen und so hatte ich Vertrauen und Geduld – und wir haben Zeit eingeplant. Wäre es schneller gegangen, schön. Hätte es noch ein klein wenig länger gedauert, wäre es auch noch gegangen. Ich glaube, dass die Großzahl bedürfnisorientierter Eingewöhnungen unter 8 Wochen gemeistert werden können, sofern alle an einem Strang ziehen, der Druck draußen gehalten werden kann und vor allem, wenn wir uns und unsere Kinder sehen und auf die Bedürfnisse reagieren.

Die Eingewöhnung ist geschafft! Und zugleich werden wir die nächsten Wochen und Monate noch länger eingewöhnen – mein Sohn wird sich weiter eingewöhnen, denn es braucht noch mehr Zeit, ehe er so richtig angekommen ist.

liebe Grüße Jessi

 

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