Es ist schon erstaunlich, wie viele Menschen der Meinung sind, sie dürften sich ungefragt in das Leben anderer einmischen, sobald es sich um Fragen der Kindererziehung handelt. Ich habe schon in der Schwangerschaft die Erfahrung machen müssen, dass mir Menschen um so vehementer in meine Entscheidungen reinreden wollten, je weniger sie mir persönlich nahe standen. Soll heißen, je fremder mir mein Gegenüber war, desto weitreichender wurde die Kritik. Dabei hatte ich wohl noch Glück, denn die Leute versuchten mir glücklicherweise nie in alle denkbaren Sphären meines Familienlebens reinzureden. Was ich da von anderen Müttern und Vätern manchmal zu hören bekomme, ist wirklich grässlich. Ideologisch begründete Standpunkte werden da als absolute Wahrheiten an die ja noch unerfahrenen Eltern verkündet.
In meinem Falle beschränkte sich das Einmischen durch Dritte bisher im Wesentlichen auf Fragen der Kinderbetreuung, die sogar für Kinderlose ein heißes Eisen zu sein scheint.

Interessanter Weise bewegt man sich da als Eltern auf einem sehr schmalen Pfad: Wenn man das Kind vor seinem ersten Geburtstag schon in Fremdbetreuung gibt, dann wird man den Rabeneltern zugerechnet. Ja warum hat man denn dann überhaupt Kinder bekommen? Ist das denn nicht noch viel zu früh für das Kind? Das kann dem Kind doch unmöglich gut tun. Wehe aber, man verfällt in das andere ‚Extrem‘ und kommt auf die Idee, das Kind deutlich länger als zwölf Monate zu Hause behalten zu wollen, dann wird man zu Glucken, zu Helikopter-Eltern, die ihrem Kind die Chance auf ein selbständiges Leben verwehren wollen. Aber dein Kind muss auch lernen, ohne dich zurechtzukommen! Wie soll es denn zu einem sozial verträglichen Menschen heranwachsen? Hast du denn kein eigenes Leben mehr?

Alles in allem scheint mir lediglich eine Zeitspanne von 3 Monaten zu bestehen (also zwischen 11. und 14. Lebensmonat), in der man das Kind noch zu Hause behalten oder schon in die Fremdbetreuung geben darf, ohne dass eine hohe Wahrscheinlichkeit auf Diskussionen vorliegt. Früher ‚weggeben‘ oder später ’nicht weggeben wollen‘ scheinen für viele Ausdruck eines falschen Verständnisses der Elternrolle und überhaupt für den Anfang eines lebenslang traumatisierten Kindes zu stehen.

Die Individualität der Kinder hat hier ebensowenig Platz wie die Notwendigkeiten des familiären Alltags oder die Bedürfnisse der Eltern. Ganz ehrlich, mich stören diese ideologisch aufgeladenen Diskussionen auf der Suche nach dem einzig richtigen Weg. Auch mit der Fremdbetreuung ist es doch letztlich so: Passt das für die Familie und passt das vor allem auch für das fremdzubetreuende Kind? Lassen die Rahmenbedingungen die Art von Fremdbetreuung zu, die man sich wünscht? Muss man aufgrund beispielsweise ökonomischer Zwänge Kompromisse eingehen, die man gar nicht eingehen will? Wie nutzt man die Zeit, in der man selbst das Kind betreut? Ist die eigene Betreuungszeit auch intensive Kuschel- und Spielzeit? Was weiß ich über die Zeit, die mein Kind nicht bei mir verbringt? Wie fühle ich mich, wenn mein Kind gerade nicht bei mir ist? Auf all diese Fragen gibt es oft keine einfachen Antworten. Persönlicher Anspruch und Wirklichkeit liegen zudem leider viel zu oft auseinander. Hinzukommen kommen gesellschaftliche Ansprüche, denen man versucht gerecht zu werden. Was Eltern da sicher nicht brauchen, sind verallgemeinernde Blicke von außen. Denn was nützen die schon? Wir Eltern kennen unser Kind viel besser als jeder andere. Ebenso können nur wir Eltern wirklich beurteilen, was gut für uns als Familie ist. Demzufolge können auch nur wir die Entscheidungen treffen, die uns auch betreffen. Ob wir gute Eltern sind, ist sicher keine Frage der Kinderbetreuung, sondern eine Frage, welchen Stellenwert unser Kind bei uns im Alltag hat und wie wir unserem Kind diesen Stellenwert immer wieder aufs Neue zeigen. Denn nichts ist wichtiger als dieses kleine einzigartige Wesen.