„Ist dein Kind geimpft?“ Wer diese Frage seit Februar 2015 mit „Ja“ beantworten kann, der kommt in öffentlichen und halb-öffentlichen Diskussionen meist glimpflich davon. Die plötzlich auftretenden Masern in meiner Heimat Berlin wurden nicht nur für viele Elternblogger zu einem wichtigen Thema.

Bei Twitter, aber auch in den Leserkommentaren von Spiegel Online gewann ich schnell den Eindruck, dass das Impfen für einige als Ventil für viel aufgestauten Frust fungierte. So wurde in teils drastischer Manier auf so ziemlich jeden eingedroschen, der irgendwie nicht geimpft ist oder gar grundsätzlich dagegen ist.
Trotzdem rief ich am 24. Februar zum allerersten Mal überhaupt auf diesem Blog zu einer Blogparade auf. Ja da Impfen sollte im Mittelpunkt stehen, denn ich fühle mich in besonderer Weise betroffen. Kenne ich doch gleich zwei Fälle von Impfschäden persönlich. 
Dabei handelte es sich um eine Gradwanderung, denn ich wollte keineswegs dazu beitragen, die Welle der Empörung zu einem Tsunami nach vorne zu peitschen. Ich rief deshalb zugegebener Maßen selektiv zur Teilnahme auf. Ich wollte absoluten Impfgegnern keine Plattform geben und ebenso hasserfüllten Impfbefürwortern nicht. Ich habe deshalb zensiert – das erste und
bisher einzige Mal auf meinem Blog. Ja, ich habe nicht alle Blogposts freigeschaltet, die mir „angeboten“ wurden. Es waren zwei an der Zahl – aus beiden Lagern. Während der erste Artikel ein gutes Beispiel für eine gelungene Symbiose aus Verschwörungstheorie und Esoterik war, schien der zweite Artikel direkt eine Ausgeburt der Hölle zu sein. Hass und Verachtung waren leider nicht nur zwischen den Zeilen zu lesen. Ich habe es als verantwortungslos empfunden, solche Artikel auch nur zu verlinken.

Wie ich bereits beim Aufruf betonte: Wenn Kinder betroffen sind, dann fühlen sich die Menschen in besonderer Weise betroffen und so wurden das Impfthema sehr rigoros durchs mediale Dorf getrieben. Blinde Emotionen saßen nicht selten am Steuer. Um so mehr freut es mich, dass sich gleich 10 Blogger und Bloggerinnen eingefunden haben, das Thema Impfen in 11 Beiträgen zu betrachten und klar Stellung zu beziehen, ohne dabei über über das Ziel hinaus zu schießen. Empört und emotional ging es durchaus teilweise zu, aber eben nicht niveaulos, menschenverachtend oder selbstgerecht. Ich bin froh darum, die verschiedenen Perspektiven gelesen und so auch den einen oder anderen neuen Gedanken für mich gewonnen zu haben.

Eigentlich wollte ich ja selbst noch einen einen ausführlicheren Beitrag beisteuern und die einführenden  Gedanken meines Aufrufs vertiefen. Aber ich habe mich letztlich dagegen entschieden. Und doch möchte ich, bevor ich die einzelnen Beiträge jeweils kurz zusammenfasse, noch etwas loswerden, das mich beschäftigt.


In welcher Gesellschaft wollen wir eigentlich leben?
Die Masernwelle ist noch längst nicht beendet. Unser Gesundheitsminister hat noch vor einer Woche sogar mit dem Impfzwang gedroht, auch weil es nach wie vor zu Neuansteckungen kommt. Doch die Sau ist weitestgehend durchs mediale Dorf getrieben. Die breite Masse ist nicht mehr empört. Für die Medien ist das Ganze nur noch ein Randthema und die Politik wird das Impfen wohl nur halbherzig auf ihre Agenda schreiben. Dabei ist doch gerade jetzt, wo die meisten Gemüter wieder etwas runtergekühlt sind und zahlreiche Artikel mit gut aufbereiteten Informationen rund ums Thema zur Verfügung stehen, eigentlich ein guter Zeitpunkt, sich weitergehende Gedanken zu machen. Was sind die sogenannten „Lessons Learned“, was also haben wir als Gesellschaft aus dem Masernausbruch gelernt? Wie könnte man sowas in Zukunft verhindern? Und wenn man es kann, sind die Mittel dazu, überhaupt wünschenswert? Ist ein Impfzwang tatsächlich ein probates Mittel angesichts der Konsequenzen, die man sich miteinhandelt? Leben wir nicht in einer freien Gesellschaft? Oder ist das letztlich sowieso schon eine Illusion, von der wir uns verabschieden sollten? 
Die Debatte um die Masernimpfung hat mir einmal mehr gezeigt, wie wenig echte Politik in diesem Lande betrieben wird. Ich rede keineswegs nur von Angela, Uschi und Co. Ich rede von Politik als gesellschaftliches Handeln, welches darauf abzielt, materielle wie immaterielle Werte für und auf die Gesellschaft zu verteilen. Ich rede von einer Gesellschaft, die nicht einfach von Woche zu Woche einer neuen medialen Sau hinterherläuft und sich permanent neuen Fragen zuwendet und zugleich von anderen wieder abwendet, ganz unabhängig von ihrer tatsächlichen Relevanz. Ich rede von einer Politik, die Ideale hat und die für diese auch eintritt. Das betrifft sowohl die Politiker, wie eben auch uns alle, die die Politiker wählen bzw. durch Nichtwählen oder Nichthandeln fortwährend walten lassen. Es geht auch um uns, die getrieben von Ängsten und Unsicherheiten, aber auch von Zeitnot und Stress Verantwortung gerne an Dritte abgeben.

Ich akzeptiere es, wenn sich andere gegen einzelne Impfungen entscheiden. Die Gründe sind vielfältig und im Einzelnen nicht selten auch für mich nachvollziehbar. Verstehe ich die Argumente nicht, dann mache ich keine Vorwürfe, sondern ich frage mich selbst nach dem Warum. Wie kommen Menschen zu bestimmten Einschätzungen? Wie kann es sein, dass manche Menschen bestimmte Institutionen oder Professionen gänzlich in ihrer Expertise und auch in ihrer Aufrichtigkeit in Zweifel ziehen? Was ist das für eine Gesellschaft, in der so viel gezweifelt wird, in der man so viel Angst hat?

Impfen stellt für mich eine Selbstverpflichtung dar. Eine solche Selbstverpflichtung geht mit der Verantwortung einher, sich zu informieren und nach dem Abwägen der Argumente bewusst Entscheidungen zu treffen. Ich selbst habe mich bisher für alle von der STIKO empfohlenen Impfungen entschieden. Sowohl für mich selbst als auch für mein Kind.Ich bin dankbar, dass es gesund ist und hoffe, dass dies auch so bleiben wird. Ich will das Beste für mein Kind. Wollen wir das nicht alle?
Ich wünsche mir einfach, dass unsere Gesellschaft wieder lernt, mehr über den eigenen egoistischen Tellerrand zu blicken und dass sie wieder mehr vertraut – aber eben nicht blind, sondern eigenverantwortlich handelnd.

Das Impfbloggen der Anderen 
Der erste Beitrag kam von der AndalusienmuttiImpfen in Spanien – man hat keine Wahl und das ist gut so. Fern der alten Heimat verstören die Nachrichten über den Masernausbruch in Deutschland die Andalusienmutti. Auch sie fragt nach dem Warum. Nachvollziehend berichtet sie, wie es sich lebt, wenn sich die Impf-Frage gar nicht erst stellt. Weitergehendes Grübeln inklusive.

Das Blog Kreatives Familienleben hat gleich zwei Beiträge beigesteuert. Im ersten Blogpost steht die Angst um die eigenen Kinder im Vordergrund. Bloggerin Heike fühlt ihre Kinder unnötigen Gefahren ausgesetzt, zu denen es gar nicht mehr kommen würde, wenn flächendeckend geimpft würde. Im zweiten Blogpost wendet sich Heike dann dem Verlauf der öffentlichen Diskussion selbst zu, die ihren Ursprung im Tod eines Kleinkindes hatte. Was müssen diese Eltern nur für unglaublichen Schmerz ob ihres Verlustes spüren und wie muss es sich anfühlen, dann auch noch öffentlich dafür die Schuld zugewiesen zu bekommen?

Johnny vom Weddinger Berg brachte gewohnt humorvoll eine ganz spezielle Perspektive ein. Als Sohn einer Impfgegnerin ist er groß geworden und nun – selbst Vater – muss er eine Entscheidung treffen und die fällt nicht ganz im Sinne der Oma aus. Johnny plädiert ausdrücklich für mehr Respekt vor den Entscheidungen der anderen: Man muss sie nicht genauso treffen, man muss sie nicht mal mögen, aber respektieren sollte man sie.

Jasmin von Wurzeln und Flügeln betont wiederum die gesellschaftliche Verantwortung, der wir uns alle zu stellen haben. Sie forschte bereits über Windpocken und über Impfungen war und ist sie generell gut informiert. Doch Impfen ist eben keine rein persönliche Verantwortung. Zuerst einmal übernimmt man als Eltern Verantwortung für die ganze Familie und im Falle der Masern auch für die Gesellschaft. Manchmal ist die Herdenimmunität einfach wichtiger und daher plädiert Jasmin auch in Bezug auf bestimmte Impfungen für den Impfzwang.

Auf Vadders Blog ist viel Unverständnis zu finden.Wer will schon Masern? Christoph fragt sich, wie es überhaupt sein kann, das es Impfgegner gibt und kritisiert dabei auch die Zunft der Hebammen, die in nicht unerheblicher Zahl impf-skeptisch agiere. Wie Jasmin unterstreicht Christoph die Bedeutung der Herdenimmunität, aber auch die möglichen drastischen Folgen einer Masernerkrankung und appelliert an alle Eltern, zu impfen.

Die liebe Manati von Manatis Welt ist wie Jasmin vom Fach und kann die ganze Impf-Skepsis einfach nicht nachvollziehen. Sie trägt in ihrem Blogpost, wie der Titel schon sagt, Fakten und Gegenargumente zusammen. Manati wendet sich mit ihrem Beitrag an verunsicherte Eltern und diskutiert in Kürze die wichtigsten Argumente der Zweifler und versucht eine Entscheidungshilfe zu sein. Sie plädiert wie ich dafür, dass man sich bei den einzelnen Impfungen gut informiert und die Risiken abwägt.

Jessy von Zwerg & Meer betont die Selbstverständlichkeit des Impfens in ihrem Beitrag „Impfen – Ja, Nein, Vielleicht – Zwischen Muss und Kann“ hervor. Jesy vertraut dem medizinischen Fortschritt und wünscht sich mehr echte Aufklärung, damit wäre den meisten schon sehr geholfen.

Marco von Alternativ-Gesund-Leben hat sich ähnlich wie Manati den Argumenten der Impf-Kritiker zugewendet und stellt das Pro und Contra sachlich einander gegenüber. Angenehm nüchtern betrachtet Marco die ihm bekannten Fakten und kommt schließlich persönlich zu dem Schluss, dass man bei grundlegenden „Kinderkrankheiten“ impfen lassen sollte, weil die Vorteile die potentiellen Risiken eben doch überwiegen.

Sarah von Zwergenzimmerchen berichtet vom Entscheidungsprozess, der in ihrer Familie stattgefunden hat. Sie will sich nicht verrückt machen lassen und dennoch berichtet sie auch von ihren Ängsten. Letztlich ist sie für eine Impfpflicht, denn so könnte man vor unnötigen Risiken schützen. Auf Masern und Co hat sie nämlich keine Lust.

Zuletzt widmet sich Sabine von Fadenvogel der Frage nach dem Impfen. Hier startet sie mit einem durchaus provokanten Titel: „Du hast 3 Sekunden Zeit, dich zu entscheiden…„. Sabine stellt das Impfen in einem Zusammenhang mit den zahllosen Entscheidungen, die wir Tag für Tag zum Wohle unserer Kinder treffen müssen. Und dann die stete Gefahr, dass genau diese eine Entscheidung vielleicht falsch gewesen sein kann oder einfach nur zu spät gefällt worden ist. Eltern können nicht perfekt sein und sich niemals zu 100% sicher sein, richtig zu entscheiden – aber wenn was passiert, dann kommen die Schuldgefühle.

Ich möchte mich noch einmal bei allen soeben genannten Bloggerinnen und Bloggern für die Teilnahme an der Blogparade danken!