Bis zu unserem ersten richtigen Familienurlaub ist es eigentlich gar nicht mehr lange hin und ich freue mich auch schon sehr auf ihn. Aber heute, genau jetzt, nach Tagen des Unwohlseins und Rumkränkelns brauche ich jetzt sofort einen Tag Urlaub und zwar ganz für mich allein. Nur wie um Himmels Willen soll ich mir den ergattern? Genau. Kann ich knicken. Aber halt! Träumen wird ja wohl noch erlaubt sein. In Gedanken bin ich ja schon längst im Urlaub, dann kann ich auch einfach in Gedanken einen Urlaubstag verleben.

Gedankenreisen stellen schließlich spezielle Entspannungstechniken dar, die dazu dienen, Stress abzubauen. Die imaginierten Bilder einer solchen Reise können, wenn man sich richtig darauf einlässt, dazu führen, dass sich der Puls verlangsamt, sich die Muskulatur auflockert und man beginnt, Glückshormone auszuschütten. Na das hört sich doch vielversprechend an! Gesagt, getan… Und damit ihr euch in etwa vorstellen könnt, was mir so auf meiner Reise in Gedanken widerfahren ist, habe ich versucht, sie euch nachfolgend aufzuschreiben.

Die Sonne kitzelt in meinem Gesicht. Vorsichtig öffne ich die Augen und erhasche einen kurzen Blick auf die Uhr. Es ist 8Uhr morgens. Schnell schließe ich meine Augen wieder und genieße es einfach nur, wie die Sonne über mein Gesicht streichelt. Normalerweise bekomme ich in etwa um die gleiche Zeit Patschehändchen ins Gesichts geklatscht und diese Abweichung von meiner Normalität muss ich einfach genießen. Ich beschließe noch etwas weiter zu schlafen. 

Als ich wieder wach werde, spüre ich immer noch die warme Sonne auf meiner Haut, kann aber nun auch ein Wirrwarr von Stimmen und das Rauschen von vorbeifahrenden Autos hören. Ich stehe auf und tapse auf meinen Balkon. Noch leicht verschlafen schlinge ich mir dabei das Laken, welches sich hier in Italien Decke schimpft, um meinen Körper. Der Ausblick ist einfach phänomenal. In den Straßen und Gassen Roms tobt bereits das Leben und doch strahlt diese Stadt ein Flair aus, das mich ganz nah bei mir sein lässt. Ich genieße es, dem Trubel direkt unter mir zuzuschauen. Da nun aber mein Magen sich zu melden beginnt und ich nun doch endlich meinen ersten Kaffee des Tages genießen möchte, ziehe ich mir nach einer ausgiebigen heißen Dusche sommerleichte Shorts und ein luftige Bluse an. Mit meinen erst gestern ergatterten Riemchensandalen fahre ich nun mit dem Hotelfahrstuhl auf die Dachterrasse. Während ich meinen caffè schlürfe, genieße ich noch ein cornetto (süßes Hörnchen) und überlege mir, was ich mit diesem wunderbaren Tag noch anstellen mag, doch schnell wird mir klar: heute will ich mich einfach treiben lassen und nicht planen müssen.

Ich laufe also die Via del Corso entlang. Überall wuseln Einheimische wie auch Touristen umher. Ich genieße es, die Stimmen, das Gelächter, das Klingeln und Hupen, laute Rufe und das Getrappel von Pferden einfach nur in mich aufzunehmen. Ich spaziere durch Menschenmengen und doch fühle ich mich gerade wunderbar allein. Ganz selbstbestimmt, in meinem eigenen Tempo schreite ich voran. Auf der linken Seite kann ich den Palazzo Montecitorio entdecken, doch ich wende mich von ihm ab und laufe die Via del Tritone hinauf. Es ist angenehm warm und ich beschließe, mir in einer Seitengasse unweit des berühmten Trevi Brunnens ein Eis zu holen. Den Brunnen selbst lasse ich jedoch wie den Palazzo zuvor links liegen. Denn diesen nehme ich mir lieber für späte Abendstunden vor, in denen kaum noch Menschen beim Brunnen anzutreffen sind und er so herrlich stimmungsvoll beleuchtet wird. Ja dann möchte ich ihn genießen und nicht im Chaos voller Busladungen mit Touristen. 

Mit meinem Eis bewaffnet, streife ich nun weiter durch die Gassen. Stets darin bemüht, ein wenig abseits von den großen Touristenmassen zu laufen. Hin und wieder halte ich an und bestaune die Jahrtausende alte Architektur. 

Mein Ziel ist die Spanische Treppe, die wie erwartet nicht nur mit Blumen, sondern auch mit Menschenmassen übersät ist. Ich steige die einzelnen Stufen hinauf bis ganz nach oben, wo ich schließlich in die Kirche hineinschlüpfe, die am Ende der Treppe auf mich wartet. Ich bin nicht gläubig, aber ich einer Stadt wie Rom muss man einfach die Vielfalt der Kirchen bestaunt haben. Es ist angenehm kühl und ich schreite langsam durch das Kircheninnere. Hie und da beobachte ich unpassend gekleidete Touristen gleich neben tief religiösen älteren Damen. Diese Stadt hat so wahnsinnig viele Facetten, dass ich daran zweifle, sie überhaupt begreifen zu können.

Da das süße Hörnchen vom Frühstück nicht allzu lange vorgehalten hat, kaufe ich mir nun eine pizzetta am Fuße der Treppe und bahne mir meinen Weg durch die Menge. Zu meinem Glück kommt just in diesem Augenblick ein Bus des öffentlichen Nahverkehrs über den Platz gerollt. Es handelt sich um einen ganz kleinen Bus, so wie ich sie aus Berlin nur auf bestimmten Linie zu nächtlicher Stunde kenne. Spontan setze ich mich hinein und genieße die Klimatisierung sowie die an mir vorbeirauschende Stadt. Ich krame einen Stadtplan hervor und verfolge die Route des Busses. Ganz sicher verfolgt der Busfahrer einen Plan, der irgendwann und für irgendjemanden Sinn ergeben hat, für mich jedoch birgt diese Busfahrt nur Wunderlichkeiten. Ohne erkennbares System fährt der kleine Bus kreuz und quer durch die Stadt, fährt Achten, im Kreis, über große Straßen, durch winzige Gassen, fährt plötzlich wieder ganz in der Nähe der Spanischen Treppe und irgendwann, nach über einer Stunde habe ich so viel von der Stadt gesehen und zugleich so lange sie nicht mehr fühlen und riechen können, dass ich ebenso spontan wieder aussteige, wie ich zuvor eingestiegen bin. 

In dieser Ecke Roms war ich bisher nicht. Ich entdecke wieder eine Kirche. Keine Kunst in einer Stadt, in der an jeder Ecke eine Kirche erbaut worden ist. Es handelt sich um die Santa Maria Immacolata a Via Veneto. Die Kirche selbst ist sehr unscheinbar und ich will sie schon zur Gänze verlassen, als ich neben der Hauptkirchentür eine kleine Tür entdecken kann, die leicht nach unten führt. Was ich nun zu entdecke, ist wahrlich schaurig-schön, aber auch ziemlich makaber. Es handelt sich um das Beinhaus der Kirche und der Name ist hier Programm. Überall – auf dem Boden, an den Wänden und an den Decken hängen Knochen. Menschliche Knochen. Sie sind künstlerisch verarbeitet und zu faszinierenden Mustern angeordnet. Es waren Mönche, die bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts dort die Skelette ihrer verstorbenen Glaubensbrüder als besonderen Akt ihres Glaubens zu biblischen Darstellungen verarbeiteten.

Mittlerweile ist es nun aber schon 19Uhr. In einer Stadt wie Rom ist um eine solche Uhrzeit der Tag noch längst nicht vorbei, für mich jedoch bedeutet 19Uhr das Ende meiner Reise in Gedanken.

Mit diesem Blogpost nehme ich an der Blogparade „Mein Urlaubstag“ von Mama Bine teil.