Unter dem Hashtag  und der gleichzeitigen Initiative BloggerFuerFluechtlinge zeigen sich keineswegs auch nur Blogger aktiv. Auch Nicht-Blogger wollen Zeichen setzen. Unsere Leser und Leserinnen unterstützen uns auf verschiedene Weise: Sie verbreiten unsere Botschaften, sie spenden, sie denken nach und bringen andere zum Nachdenken. Einer solchen Leserin und Nicht-Bloggerin gebe ich heute hier auf meinem Blog Asyl, damit sie ganz offen Position beziehen kann. 

Heute schreibt euch daher Stefanie. Ich kenne Stefanie vor allem von Twitter, aber viel wichtiger ist: Stefanie engagiert sich mit ganz viel Herz schon längst für Kinder (z.B. KiGuTu e.V.
).
 
 






Kontakt mit dem Fremden

Guten Morgen Mein Name ist Stefanie, ich lebe mit meiner Familie in Norddeutschland auf dem platten Land, lese viel, schreibe viel, engagiere mich für Kinder und Familien (http://www.kigutu.de ; http://www.duenenhof.org ).
 
Nein, ich habe keinen Kontakt zu Flüchtlingen. Ich weiß, es sind syrische Kinder in unserer Stadt angekommen, die Schulleiter diskutieren über Sprachkurse, aber ich bin noch keinem begegnet. Unser Haus ist klein, wir haben nicht mal ein Gästezimmer, wie sollen wir Menschen zu Hause aufnehmen? Nein, ich kann nicht über Flüchtlinge schreiben, aber ich kann etwas schreiben über die Begegnung mit dem Fremden. 
 

Begegnungen mit dem Fremden

Seit 7 Jahren leiten mein Mann und ich eine Stadtteilarbeit für Kinder, mit einem Team von Ehrenamtlichen und Minijobbern: Mittagessen, Hausaufgabenbetreuung, Freizeitangebote. Wir wollten etwas tun für die Kinder unserer Stadt, für die, die einsam sind, unterversorgt mit Liebe und Zuwendung, oder für die, die einfach Kontakt suchen. Was uns begegnete war ein bunter Haufen: Kinder aus Libanon, Türkei, Saudi-Arabien, Togo. Alle die, deren Eltern vor Jahren nach Deutschland gekommen waren, die hier ein neues Zuhause finden wollten aus den unterschiedlichsten Gründen. Und natürlich war da Angst! Gleich im ersten Winter verschwanden Handschuhe, Schal, Mütze meiner Tochter aus der Garderobe. Ich verdächtigte eine Mutter und schämte mich dafür. Bis heute weiß ich nicht, wer die Sachen nahm. Ein Handy wurde vermisst, das eines Mitarbeiters. Mir rutschte das Herz in die Hose: Wem konnte ich noch vertrauen? Stunden später tauchte das Handy in der Tasche des Mitarbeiters auf, er hatte es einfach verlegt. Ich musste mich daran gewöhnen, dass sechs Leute, mit denen ich am Tisch saß, sich in einer Sprache unterhielten, die ich nicht verstand. Redet deutsch! wollte ich dazwischenrufen, so unsicher war ich.
Und dann kam das Kennenlernen. 
 

Und dann kam das Kennenlernen

Ich lerne Namen, lernte Vorlieben, Begabungen, Ecken und Kanten der Kinder kennen. Ich lernte, warum Muslime kein Rinderhack aus dem Supermarkt essen, warum muslimische Frauen unseren männlichen Mitarbeitern nicht die Hand geben. Ich lernte, was es heißt, in einem großen Familienverband zu leben, welche Sicherheit das gibt. Und sie lernten von uns: unsere Werte, unsere Sitten. Dass wir gerne Ordnung haben, den Teller leer essen, uns nur so viel nehmen, wie wir selbst brauchen. Dass wir nicht nur an den Clan denken, sondern an den Nächsten, der unsere Hilfe braucht. Und plötzlich war Beziehung da. 
 

Und plötzlich war Beziehung da

Plötzlich redete ich mit Müttern verschiedener Nationalität über ganz normale Müttersorgen. Ich hörte über Probleme in der Schule und verglich sie mit den Problemen meiner Kinder. Aus Beziehungen wurden Freundschaften. Kurdische und afrikanische Jungen, die sich spinnefeind waren, schlendern heute Arm in Arm zum Fußballplatz. Ein Mädchen, blitzgescheit, geht aufs Gymnasium, wir stolz waren wir alle, als sie das erste Jahr geschafft hatte. Ein kleiner Bruder wurde geboren und von allen bewundert, das hübscheste Baby weit und breit! Als einer unserer Jungs aus Togo auf der Bühne stand und ein lang geübtes Solo sang, musste ich weinen.
 

Heute habe ich keine Angst mehr

Heute habe ich keine Angst mehr. Jede Woche freue ich mich auf die Begegnungen. Das Fremde ist zum Vertrauten geworden. Wir sind verschieden, ja. Aber das sind meine deutsche Nachbarin und ich auch. Kein Grund, sich zu verachten. Es gibt Probleme, ja. Niemand ist perfekt und wir reiben uns aneinander. Aber letztlich sind wir alle Menschen. Das habe ich begriffen. Heute denke ich, den Schal und die Mütze und die Handschuhe hat vielleicht ein Kind bekommen, das die Sachen bitter nötig brauchte. Vielleicht ein Kind, das sich geschämt hat, nach Wintersachen zu fragen. Heute muss es das nicht mehr. Heute haben wir eine Kleiderstube.