Noch bist du nicht ärztlich diagnostiziert, aber ich bin dank der ersten Schwangerschaft ja schon Expertin auf deinem Gebiet. Liebe Schwangerschaftsdiabetes, ich will nicht unbedingt sagen, dass du mir willkommen bist, aber ich werde dir auch nicht allzu sehr grollen, denn es ist wie es ist und es lebt sich letztlich besser, wenn ich das einfach mal so annehme.

Natürlich kommst du wieder in deinem ganz speziellen Gewand daher. Warum auch sollte ich dir durch die Ernährung Einhalt gebieten können. Erneut hab ich spitzenmäßige Tagwerte. Weitgehend unabhängig davon, was ich so esse, stimmen meine Werte nach dem Essen nahezu immer. Nach einer Stunde nach dem Essen sollen meine Blutwerte ja unter 140 mg/dl (7,8 mmol/l) liegen. Liegen sie. Bei zwei Stunden nach dem Essen soll ich Werte unter 120 mg/dl (7,8 mmol/l) aufweisen – auch das tue ich. Nicht selten liegt der zweite Wert bei mir dann schon um die 100 mg/dl (7,8 mmol/l). Das sind so tolle Werte, dass mir schon mehrfach von ärztlicher Seite dazu beglückwünscht wurde. Danke liebe Bauchspeicheldrüse, du leistest eine gute Arbeit. Also tagsüber zumindest.

Ist also alles wie es sein soll. Könnte man meinen. Wären da nicht wieder diese vermaledeiten Nüchternwerte morgens. Nicht wirklich gruselig, aber eben doch zu hoch.

Der erste Zuckertest

Normalerweise macht Frau ja „nur“ den kleinen Zuckertest irgendwann zwischen der 24. und 28. SSW. Da ich aber bereits aus der ersten Schwangerschaft die schlechten Nüchternwerte als Erfahrungsbasis mitgebracht habe, durfte ich diesmal schon in SSW 8 ran und auch gleich mit dem großen Zuckertest. Mieser Nüchternwert und tolle Tagwerte waren das Ergebnis. Keine wirkliche Überraschung, denn irgendwie habe ich damit gerechnet. Erfreut war ich natürlich nicht.

Übrigens: So dramatisch fand ich die Zuckerlösung nicht. Schmeckte besser als beim ersten Mal. Kalt und mit Geschmacksrichtung ist es nun „nur“ noch unangenehm. Nicht mehr widerlich.

Selbstversuche

Da ich zu Hause noch mein Blutzuckermessgerät aus der Schwangerschaft mit der Terrorpüppi habe, wagte ich mich in Folge des großen Zuckertests beim Arzt zu Hause an Selbstversuche. Gerüstet mit dem gesammelten Wissen aus all den Gängen zur Diabetessprechstunde in der Charité, Virchow Campus im Jahr 2013, wollte ich mal gucken, ob ich vielleicht diesmal Einfluss auf meine Nüchternwerte nehmen kann.

 

Ich schrieb mir also jeden Morgen meine Nüchternwerte auf. Mit Uhrzeit. Außerdem vermerkte ich, was ich so tagsüber aß und maß auch diese Werte teilweise. Meine eigentlichen Experimente bezogen sich vor allem auf meine Abendmahlzeit, noch genauer auf das Was und auf das Wann.

 

Die Ergebnisse kurz zusammengefasst: Den Nüchternwerten war das weitgehend wurscht. Da konnte ich abends noch so tolle Werte aufweisen, morgens waren sie zu hoch. Teilweise höher als abends. Etwas frustrierend ist das ja schon.
Da experimentierte ich mit Spätmahlzeiten. Obwohl ich keinerlei Hunger verspürte, aß ich also einen kleinen Happen spät am Abend. Meine Ärztin damals meinte, dass das paradoxerweise bei manchen Patientinnen funktionieren würde. Dabei geht es nicht darum, eine möglichst große Menge in sich hinein zu stopfen (Gott sei dank), sondern die Bauchspeicheldrüse noch mal verstärkt zu aktivieren.
Resultat: Völlegefühl (auch wenn es nur ein Joghurt war) und gleichbleibende Nüchternwerte.

Und nun?

Was ich da habe, ist letztlich keine klassische Schwangerschaftsdiabetes. Meine Ärzte meinen schon jetzt, dass ich wohl in Behandlung gehen müsse, aber dass sie auch nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen wollen. Die Werte sind nicht gut, aber eben auch nicht wirklich schlecht.
Diese seltsame wiederkehrende Begebenheit des in den Morgenstunden plötzlich ansteigenden Blutzuckers nennt man übrigens Dawn Phänomen. Pubertierende haben das sehr oft: In den frühen Morgenstunden – so zwischen 3 und 6 Uhr – werden nämlich fleißig Gegenspieler zum Insulin wie Wachstumshormone, Adrenalin oder Kortisol ausgeschüttet und manchmal kommt da die Bauchspeicheldrüse nicht so mit klar und schafft es nicht, ausreichend Insulin im Gegenzug zu produzieren.

 

Dem kann ich mit einer veränderten Ernährung nur minimal beikommen. Selbst gar nix essen und den abendlichen Blutzuckerspiegel deutlichst sinken lassen, hilft da nix. Morgens ist er wieder höher und bei mir fast immer etwas zu hoch. In der letzten Schwangerschaft musste ich mir daher abends ein verzögert wirkendes Langzeitinsulin spritzen. Und jeden Tag messen, messen und messen.

 

Das ist voll nervig, aber kein Weltuntergang und daher beschließe ich mich diesmal dem Ganzen weniger hadernd und mehr Schulter zuckend zu stellen: Komm her, du Schwangerschaftsdiabetes. Ich schließ dich in meine Arme und zusammen wuppen wir das schon. Ist ja doch nur eine Liaison auf Zeit.

 

Jessi

 

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Schwangerschaftsdiabetes oder auch Gestationsdiabetes - sie ist behandelbar und verschwindet fast immer wieder nach der Geburt. Statt zu hadern, habe ich die Situation einfach angenommen. #dawnphaenomen | Terrorpüppi | Reflektiert, bedürfnisorientiert, gleichberechtigtp