Als ich vor Kurzem davon schrieb, wie sehr mich derzeit meine erste Geburt einholt, nun da ich kurz vor der zweiten Geburt stehe (Nach dem Trauma ist vor dem Trauma: Die Angst vor der zweiten Geburt). Da haben mich wirklich viele Zuschriften und Kommentare erreicht. Ich war und bin überwältigt ob des Mitgefühls und der Zusprachen, die ich erhielt. Die alte Weisheit, dass geteiltes Leid, halbes Leid sei, trat ein – und ich glaube, dass es auch anderen so gehen wird. Zu wissen, dass man mit seinem Geburtskummer nicht allein ist und von den Erfahrungen anderer profitieren zu können, tut sehr gut.

Auch aus einem Trauma kann dennoch Gutes erwachsen – und man kann selbst wachsen (Ich habe mein Baby geboren. Ich wurde nicht entbunden).


Daher möchte heute meine Leserin Vicky mit euch ihre Erfahrungen teilen. Lieben Dank Vicky! Deine persönlichen Nachrichten haben mich wirklich berührt. Die von dir beschriebenen Ängste kenne ich nur zu gut.


Es muss wirklich nicht wie bei der ersten Einleitung laufen 

Ein Gastbeitrag von Vicky
 
 
Mein Großer kam 2014 zur Welt. Ich hatte eine Einleitung mit Tabletten, die laut Ärzten sehr schnell ging. Während der Entbindung kam es zu einigen Komplikationen (grünes Fruchtwasser, die Herzfrequenz vom Kind wurde schlecht, Zangenentbindung, Geburtsverletzungen bei mir, und zum Schluss musste das Kind gleich nach der Entbindung auf die Neointensiv).
Ich empfand die Entbindung eigentlich als gar nicht so schlimm, die Zeit nach der Entbindung war eher das Prägende. Bis zu dem Zeitpunkt, bis ich im ersten Geburtsvorbereitungskurs für Zweitgebärende saß und die Hebamme zu mir sagte, dass ich eine traumatische Entbindung hatte.


Plötzlich fiel der Vorhang. Plötzlich wurde mir bewusst, dass die Entbindung nicht normal gelaufen ist. Plötzlich machte ich mir große Sorgen, hatte Ängste, nein, sogar Panik vor der nächsten Entbindung. Wird es wieder so kommen, wird es wieder eine Einleitung, habe ich wieder so heftige Geburtsverletzungen, kann es sein, dass der zweite Sohn auch wieder auf die Neo muss?


Um so näher der Entbindungstermin rutschte, um so unruhiger wurde ich. Ich spürte innerlich schon, dass es wohl wieder auf eine Einleitung hinaus läuft. Dabei wünschte ich mir doch nichts sehnlicher als eine natürliche, spontane Entbindung. So viele Frauen können das doch, warum mein Körper nicht? Ist mein Körper zu blöd zum Entbinden? Was wäre früher wohl mit mir und meinen Kindern passiert? Braucht der Knirps im Bauch vielleicht ein wenig mehr Zeit? Oder weniger? Doch lieber Kaiserschnitt, nicht lange fackeln?!


Über den Kaiserschnitt habe ich auch öfter mal nachgedacht, pünktlich zum ET holen, da würde es uns zeitlich gut passen… Aber dann habe ich eine Narbe, ich kann den Großen nicht mehr hochheben, ich vergebe mir die Chance auf eine natürliche Entbindung. Letzteres war der Hauptgrund, um mich gegen einen Kaiserschnitt zu entscheiden und die Hoffnung, dass das Kind einfach noch Zeit benötigt, um sich für mich schick zu machen. Ich hoffte, und hoffte, und hoffte.

Der ET kam näher, verstrich und die Tage waren nun gefüllt mit noch mehr Bangen, Hoffen und CTG Schreiben. Immer mal wieder sah man ein paar Wehen, aber dabei blieb es.

Als Tag 8 nach ET kam, wurde das erste mal nun die Einleitung angesprochen, die man spätestens nach 10 Tagen bei uns in der Klinik macht. Ab diesem Zeitpunkt heulte ich jeden Tag Rotz und Wasser, ich fürchtete mich so. Das sich alles wiederholt, das ich wieder so Schmerzen habe, das ich wieder mein Kind nach der Entbindung nicht halten kann, das ich mein Kind wieder nur auf der Neo sehe.

Ich sprach mit einem Oberarzt, das ich gern noch bis Freitag, Tag 11 nach ET, mit der Einleitung warten möchte, da es bei uns zeitlich nicht passt (ich hoffte, dass das Kind doch noch allein kommt und der Mann musste noch auf unserer Baustelle arbeiten). Und wenn Einleitung, dann doch bitte auch für alle passend ?. Vom Oberarzt bekam ich das Ok, wenn an Tag 10 nach ET keine medizinische Notwendigkeit besteht. Also am Tag 10 nach ET CTG Schreiben, alles vermessen lassen und ich bekam das okay. Ich durfte warten. (zum Thema Schätzen des Gewichts: die Werte lagen bei mir zwischen 3600g und 4200g, raus kam der Bub mit 3870g).

Die letzte Nacht vor der Einleitung war furchtbar, ich heulte viel, schlief wenig und machte mir große Sorgen. Auf dem Weg in die Klinik rollten die dicken Tränen, ich fühlte mich wie auf dem Weg zur Hinrichtung.


In der Klinik angekommen, erwartete mich meine Hebamme, die ich beim Großen als Nachbetreuung hatte. Sie machte die Aufnahmeuntersuchung, versuchte mich zu beruhigen und übergab mich an eine von ihr ausgewählte Kollegin, die wirklich super toll war.


Vom Trauma zur selbstbestimmten Geburt


Und dann passierte das, was ich nie geglaubt hätte: Ich hatte eine wunderschöne Entbindung! Die Entbindung verlief außer dem ersten Gel, sehr natürlich. Zwar hatte ich die ganze Zeit große Sorge, dass die Herzfrequenz wieder schlecht wird, dass wieder etwas schief geht, aber dieses Mal lief alles gut! Dieses Mal wusste ich, was ich wollte, wusste von der ersten Entbindung was mir gut tut, konnte Dinge ablehnen.


Eine Hebamme, die Vertretungsweise zu mir kam, wollte mir die Fruchtblase sprengen. Doch aus Angst, dass es dem Kind nicht gut bekommen würde, wenn man von außen noch mehr eingreift, lehnte ich ab. Diese Hebamme wollte mir nach Ablauf der 6h ein weiteres Gel geben, aber auch das lehnte ich ab. Mein Körper war schon im vollem Gange, warum also noch mehr stimulieren?! Bei der letzten Einleitung hat mein Körper dann plötzlich zu heftig reagiert und ich hatte keine Atempause mehr, das wollte ich dieses mal vermeiden.


Als meine Hebamme aus der Not-OP zurück kam, erzählte ich ihr davon. Sie beruhigte mich, dass es allein nur meine Entscheidung sei, was passiert und ich mich für mich und mein Kind schon richtig entscheide. Diese Hebamme war noch so jung, und dennoch wahnsinnig kompetent. Sie war so einfühlsam, sie wartete Wehen ab, bevor sie untersuchte. Sie war so respektvoll, als ich nach Schmerzmitteln fragte, sagte sie, ich sei die Person mit Schmerzen und ich entscheide, wann ich etwas brauche und erklärte mir jedes mal ganz genau, wieso, weshalb und warum das gemacht werden muss und fragte mich immer, ob es in Ordnung für mich sei. Sie war so mitfühlend, sie kannte meine Vorgeschichte und unterstützte mich emotional sehr. Und diese Hebamme hat für mich ihre Zeit geopfert. Eigentlich hatte sie Feierabend, doch sie blieb noch, bis das Kind zur Welt kam und sorgte anschließend dafür, das wir zu dritt erst einmal in Ruhe kuscheln konnten, bevor die Maße genommen wurden. (Ich muss dazu sagen, dass ich pünktlich zum Schichtwechsel Presswehen bekam und ich fand es wirklich sehr toll, dass Sie für mich extra länger gemacht hat).

Es muss wirklich nicht wie bei der ersten Einleitung laufen! Diesen Satz habe ich vorher auch von Freunden gehört, von Hebammen. Aber keiner hatte diese, meine Geschichte.


Vicky


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Liebe Vicky, noch einmal herzlichen Dank dafür, dass du zunächst deine Ängste und Sorgen und schließlich auch deine zweite Geburt mit uns geteilt hast! Du hast mir in der Tat Mut gemacht.

Es muss wirklich nicht wie bei der ersten Einleitung laufen | Terrorpüppi | Reflektiert, bedürfnisorientiert, gleichberechtigt