
Unbegleitet Weinen lassen
Letzte Woche war ich Samstag früh auf einem Spielplatz und zum wiederholten Male beobachtete ich etwas, was mich nachdenklich stimmte. Da spielte ein Vater mit zwei etwas älteren Mädchen und turnte, während das kleine Baby, ich schätze es auf etwa 3- 4 Wochen, im Kinderwagen schlief. Plötzlich fing das Baby zu weinen an. Ein relativ verträgliches Weinen, was aber anzeigte, irgendwas stimmt gerade nicht und es Regulation bräuchte. Nach einer gewissen Zeit ging der Vater hin und schuckelte den Kinderwagen. Weiterer Protest, dann etwas ruhiger und der Vater entfernte sich… Nun erneut ein starkes, wimmerndes Weinen.
In meiner Gegenübertragung fühlte ich eine ansteigende Not, die sich in den nächsten zehn Minuten in Panik steigerte. Schrilles Brüllen. Das Baby blieb liegen und der Vater schaukelte den Wagen, ohne sein Kind körperlich oder mit seiner Stimme zu beruhigen.
Auf dem Spielplatz war ich zunächst ein wenig ärgerlich, weil der Vater sich so viel Zeit ließ, ehe er reagierte. Später wurde ich beunruhigt und noch später traurig und wir sind einfach resigniert gegangen. Wenn wir das als Gegenübertragung des Babys verstehen, könnte man annehmen, dass das Baby ähnliche Gefühle durchgemacht hat. Das Baby brauchte irgendetwas, von dem wir nicht wissen was. Es wäre notwendig gewesen, das herauszufinden, denn ein Baby in dem Alter braucht Hilfe, sofort. Mein Impuls war es natürlich, aufzustehen und zu intervenieren, aber das wäre schließlich grenzenlos übergriffig gewesen. Vielleicht war der Papa einfach nur mal wahnsinnig müde und konnte in dem Moment nicht anders reagieren. Aber dennoch will ich an dieser Situation und der Fantasie, dass das vielleicht oft passiert, etwas Wichtiges erklären.
Gegenübertragung
Was ich da beschreibe, ist eine Gegenübertragung. In der Psychoanalyse wird die Gegenübertragung als das Phänomen beschrieben, wie der Analytiker auf den Patienten auf Grund der Erfahrungen des Patienten (aber auch der eigenen) emotional reagiert . Freud drückte sie als den „Einfluss des Patienten auf das unbewusste Fühlen des Arztes“ aus. Übertragungen und Gegenübertragungen sind im Alltag genauso erspürbar wie in der therapeutischen Situation. Als Analytikerin ist man geübt, solche Wahrnehmungen bewusst zu erkennen.
Was ich da wahrgenommen habe, könnte demzufolge auch das Erleben des Babys in dem Moment wiederspiegeln.
Chance auf Hilfe? Die Idee des Urvertrauens
Urvertrauen bedeutet nichts Anderes als die Annahme, dass, wenn ich in Not bin, ich mich darauf verlassen, nicht allein zu sein. Im Leben hilft dieses Grundgefühl, auch wenn real niemand anwesend ist. Auf Grund des Erfahrung von verlässlicher Begleitung gibt es die Gewissheit: es gibt dieses Gute und wir könnten Hilfe bekommen. Das beruhigt. Es beruhigt, weil wir diese Erfahrung gemacht haben.
Babys, die nicht eben angemessen und feinfühlig beruhigt werden, werden unter Umständen so genannte Schreibabys. Ich habe hier die Dynamik in Familien mit Schreibabys etwas genauer ausgeführt. Manche Kinder werden aber still und angepasst, wenn die Eltern sie nicht ausreichend gut beruhigen können. Das beobachtet man leider immer wieder. Diese Kinder wirken in ihrer Vitalität gehemmt. Die erschöpften Eltern freuen sich, leider zum Schaden der Kinder, über diese braven und lernwilligen Geschöpfe. Das entspricht dem verhaltenstherapeutischen/ lerntheoretischen Ansatz: unangemessenes Verhalten sollte nicht beachtet werden, sonst üben Kinder/ Menschen damit Druck aus, weil es eben erfolgreich ist. Die Konsequenz auf ein Verhalten trägt demnach maßgeblich zu dessen Auftretenswahrscheinlichkeit bei. Dass ein Kind dann aber verstummt und sich in seinem Kummer und seiner Verzweiflung nicht mehr mitteilt, ist die gewollte und anerzogene Konsequenz: es hört zu weinen auf. Das hat wiederum zur Folge, dass sich Menschen entwickeln, die sich selbst in ihren Gefühlen nicht mehr wahrnehmen können.
Identifikation mit emotional zurückweisenden Eltern
Die Analytiker sprechen von den inneren Selbst- und Objektrepräsentanzen. Bowlby (der die Bindungstheorie entwickelt hat, aber auch Analytiker war) nennt es die inneren Arbeitsmodelle:
wir speichern innerlich die Erfahrungen ab, wie mit uns umgegangen wurde (Objektrepräsentanzen) und wie wir uns dabei gefühlt haben (Selbstrepräsentanzen). Das geschieht über Introjektions- und später über Identifikationsvorgänge mit den Objekten, also den realen Eltern/ Menschen. Wir nehmen durch Introjektion diese Objektanteile in uns aud und so können sie zu einem Teil unseres Selbst werden. Das ist ein ganz wichtiger Vorgang, weil er erklärt, wieso Menschen ihre Erfahrungen weitergeben. So wird das emotional zurückgewiesene Kind später vielleicht auch zum zurückweisenden Erwachsenen. Deswegen sind Erfahrungen mit vielen unterschiedlichen Menschen so wichtige. Eine emotional zugewandte Kita- Betreuerin oder Oma kann ein wahres Geschenk sein für das Kind. Das Kind hat dann nämlich in sich ein Arbeitsmodell von geliebt und gesehen Werden etablieren können. Katastrophal ist es, wenn alle Bezugspersonen kalt und zurückweisend sind.
Wir erinnern uns meistens nicht bewusst an solche besonders frühen (bis zum Eintritt der Sprache) Erfahrungen. Sie sind aber in jedem von uns gespeichert und haben einen Einfluss auf uns.
Es kann zu Störungen in einzelnen oder mehreren psychischen Bereichen kommen. Zu diesen Störungen kommt es, wenn insgesamt eine Atmosphäre herrscht, die ein gesundes Gedeihen verunmöglicht, weil permanent wichtige Bedürfnisse unbeantwortet bleiben. Daher ist der elterliche Umgang mit den Gefühlen eines Kindes ausgesprochen bedeutsam. Wenn ein Baby, das zwar grundsätzlich kompetent ist, mit seinen zu starken Affekten alleine gelassen wird, schadet ihm das!
Wie bilden sich eine sichere Bindung und Urvertrauen aus?
Wir kommen als Menschen ziemlich unreif zur Welt und sind nicht nur bezüglich der klassischen Bedürfnisse (Hunger etc.) auf andere angewiesen. Wir brauchen Eltern/ Bezugspersonen, die feinfühlig, angemessen und prompt reagieren. Dabei kann ein permanentes Unterreagieren genauso folgenreich sein wie ein permanentes Überreagieren.
Der Vater vom Spielplatz hat anfänglich ganz gut reagiert: Minimalintervention, indem er in den Wagen schaute, Kontakt aufnahm und offensichtlich glaubte, ein Schaukeln des Wagens würde helfen, was ja tatsächlich dazu führte, dass das Kleine sich selber gut regulieren konnte. Aber es reichte nicht und das Baby hätte dann mehr gebraucht. Das hat es sehr deutlich gezeigt und durch ein verändertes Weinen hin zum Brüllen zum Ausdruck gebracht. Warum der Vater dann nicht in der Lage war, weiter zu suchen und zu probieren, weiß ich natürlich nicht. Ich hörte und spürte nur die Konsequenz: eine wachsende Not des Babys.
Ein Baby teilt sich durch sein Weinen, seine Körpersprache, sein Lautieren mit. Manchmal weint ein Baby intensiv und sehr häufig und wird eventuell als Schreibaby bezeichnet. Hier habe ich dazu ausführlich geschrieben. Die meisten Menschen reagieren intuitiv kompetent und wenden sich dem Baby zu und suchen (!) nach Lösungen. Es ist nicht schlimm, wenn ein Baby weint. Es muss nur ernst genommen werden und zwar nicht deshalb, weil es dann sofort aufhört zu weinen, sondern weil es durch ein noch überhaupt nicht selber händelbares Gefühlswirrwarr begleitet wird und so ein Selbstbild entwickelt, was beinhaltet: ich bin nicht allein und ich bin es wert, dass mir jemand zu Seite steht. Ich kann mich darauf verlassen, dass jemand da ist, wenn ich nicht weiter weiß.
Wenn Babys Kleinkinder werden
Werden nun diese kleinen Babys größer, verändert sich auch das Weinen und das Maß, wie wir darauf reagieren sollten. Ab und an merkt man, dass Kinder nun weinen, weil sie enttäuscht oder wütend sind und sich vielleicht inkompetent, hilflos und unverstanden fühlen. Es wird nun immer wichtiger, dem Kind die Möglichkeit zu geben eigene Regulationsfähigkeiten auszubauen. Das heißt, dass ich als Begleiter da bin und dem Kind helfe, sich selbst zu regulieren. Ich muss also das Kleinkind in Stresssituationen nicht gleich sofort auf den Arm nehmen, sondern kann zunächst ruhig reden, die Hand halten etc. Das stärkt zunehmend die Selbstregulation. Ein Zuviel ist ebenso schädlich wie ein zu Zuwenig.
Es ist schon eine ziemliche Herausforderung herauszufinden, wie viel Hilfe ein Kind in der jeweiligen Situation braucht, aber den meisten Eltern gelingt das meistens gut. Ein ganz kleines Kind wird sich nicht nur vom Wagen schuckeln beruhigen lassen, wenn es außer sich ist.
Maßvolle Frustration stößt Entwicklung an
Natürlicher Weise frustrieren alle Eltern ihre Kinder, indem sie eben nicht immer wissen können, welches Problem aktuell besteht und was das Kind dann braucht. Das ist vollkommen in Ordnung! Es hilft unserem Kind, sich eigene Wege zu suchen. Das bedeutet nicht, dass wir das Kind dabei alleine lassen, sondern dass wir es ermuntern, auf sich und seine Kraft zu vertrauen. Entwicklung kommt nur dann zu Stande, wenn das Kind sich erproben kann.
In den ersten drei Jahren müssen wir unser Kind besonders gut im Blick haben, denn in der Zeit entwickeln sich fundamentale psychische Fähigkeiten. Es sind natürliche Prozesse, die Kinder durchlaufen, die von sich aus Frustrationen auslösen.
Z.B. die so genannte Selbst- Objekt- Trennung. Es kommt zur Erkenntnis, dass Menschen getrennt voneinander sind. Du bist wer anderes als ich und ich weiß, dass du andere Bedürfnisse haben könntest als ich. Oh weia! Wo das kleine Kind also gerade denkt, es sei in der Lage alles zu bestimmen (das ist da vollkommen normal), merkt es plötzlich, dass das so nicht ist. Die Autonomiephase beginnt. Mit etwa 18 Monaten wird das Kind sich dieser Trennung gewahr und das sorgt für ziemlich starke Ängste und natürlich auch massive Frustrationsaggression. Wenn Mama nämlich anders ist als ich, dann kann sie machen, was sie will und dann kann sie mich auch einfach verlassen.
Das ist eine Zeit, in der viele Kinder, die sicher gebunden sind, plötzlich wieder sehr anghänglich werden und in der Mama wieder ganz nah gebraucht wird. Aber gleichzeitig wissen die Kleinen auch, dass es toll ist, etwas alleine zu erkunden: ein ständiges Hin- und Her zwischen „komm/ bleib und geh“ (die Wiederannäherungskrise). In emotional aufreibenden Momenten, wenn ein Kind erregt ist, bricht vielleicht zusammen, was das Kind vorher schon konnte.
Zwischen Entwicklung und Rückschritt
Prinzipiell ist es wichtig zu wissen: in besonderes emotionalen Situationen (wütend sein, erregt sein, traurig sein, frustriert sein, hilflos sein etc.) kommt es oft zur Regression. Stufen der Entwicklung, die eigentlich schon erklommen wurden, stehen nicht mehr zur Verfügung. Ein Kind, was eigentlich laufen kann, krabbelt bei Unsicherheit z.B. wieder zu seinen Eltern. Klassischerweise denke ich aber auch an Kinder, die wieder einen Schnuller oder Windeln tragen, wenn ein Geschwisterkind zur Welt kommt.
Sie könnten uns vielleicht einfach sagen: ich bin so eifersüchtig, habe Angst, dass keiner mehr auf mich achtet.
Aber weil die Gefühle so stark sind, geht das nicht. Es ist unsere Aufgabe als Eltern, auf so etwas zu achten und dem Kind zu spiegeln: du bist gerade ziemlich verzweifelt, weil du Angst hast. Das verstehe ich.
Genau diese Haltung „ich versuche, dich zu verstehen“ ist das, was unsere Kinder brauchen. Wenn wir verstehen, warum sie erregt, wütend, traurig, hilflos etc. sind, wenn wir nachfühlen, wie sich etwas aus ihrer Sicht (auf der Basis ihrer zu dem Zeitpunkt vorhandenen Fähigkeiten) anfühlt und wir das für sie versprachlichen, vielleicht auch handeln, dann ist ein ganz wesentlicher Grundstein gelegt.
In einem ganz aktuellen Artikel von Krause (2017) in der Fachzeitschrift Psyche, schreibt er:
Was passiert, wenn niemand reguliert?
Strukturelle Störungen der Psyche
– Selbst- und Fremdwahrnehmung (wie fühle ich mich? wie fühlt sich wohl mein Gegenüber?)
– Selbstregulierung und Regulierung des Objektbezugs (wie kann ich auf jemanden Anderen empathisch einwirken, ihn vielleicht auch regulieren und beruhigen: brülle ich mit, wenn ich angebrüllt werde oder kann ich beruhigend auf jemanden eingehen)
– Kommunikation nach innen (gibt es in mir einen psychischen Raum, in dem ich über Probleme nachdenke und Fantasien habe oder muss ich gleich handeln, ohne nachzudenken) und nach außen (kann ich mich jemand Anderem in meinem Befinden mitteilen und verständlich machen)
– Bindung an innere Objekte (z.B. wenn ich alleine bin und mich an wichtige Personen erinnere und mich dadurch geborgen fühle ) und Bindung an äußere Objekte (kann ich stabile Beziehungen eingehen und aufrechterhalten)
Das sind also die strukturellen Fähigkeiten, die wir bestenfalls als Babys und Kleinkinder durch einen hinreichend kompetenten Einfluss unserer primären Bezugspersonen erlangen. Ganz schön tragisch, wenn das schief geht, weil das die absolute Grundlage eines größtenteils sicheren psychischen Funktionierens ist.
Fazit
Mir war es ein Anliegen, mal ein wenig aufzudröseln, warum es eigentlich so schädlich ist, wenn man sein Kind schreien lässt. Angestoßen wurde das durch Kommentare, die ich kürzlich auf einen anderen Beitrag hin gelesen habe. „Mein Kind weiß doch, dass ich da bin“, „es lernt doch sonst nicht, sich selbst zu beruhigen, wenn ich immer gleich da bin“.
Ich hoffe, dass ich deutlich machen konnte, dass es darum geht angemessen auf die feinfühlige Wahrnehmung der kindlichen Not zu reagieren und dass Kinder, inbesondere Babys, nicht in der Lage sind, sich selber bei hoher emotionaler Erregtheit zu regulieren. Größere Kinder, bei denen das versäumt wurde, werden das auch nicht können und bräuchten daher weiter diese beschriebene Begleitung, vielleicht sogar therapeutisch.
Was ich schön geschrieben und vorallem substantiell finde, findet ihr hier beim „Gewünschtesten Wunschkind“.
Und hier bei „Geborgen wachsen“ könnt ihr nochmal die Auswirkungen auf das Hormonsystem bzw. das zentrale Nervensystem nachlesen, außerdem findet ihr unten eine Literaturliste.
Madame FREUDig
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Literatur
(implizit erwähne ich einige Konzepte, zb. das der Wiederannäherung/ -skrise von Mahler, aber allzu theoretisch soll es hier nun auch nicht werden und so bitte ich bei Fragen zur Verwendung unklarer Termini einfach einen Kommentar zu hinterlassen):
Freud, S. (1910) Die zukünftigen Chancen der psychoanalytischen Therapie. Kleine Schriften II – Kapitel 43. Über: http://gutenberg.spiegel.de/buch/kleine-schriften-ii-7122/43
Krause, Rainer (2017 Affektpsychologische Überlegungen zu Seinsformen des Menschen. Psyche, 6, pp 453-478
Rudolf, G. (2014) Psychodynamische Psychotherapie: Die Arbeit an Konflikt, Struktur und Trauma. Schattauer Verlag

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Gut recherchierter Artikel, vielen Dank. Ich wünschte nur, Sie würden die Schreibabys nicht so in einem kurzen Nebensatz mit Babys gleichsetzen, auf die nicht feinfühlig genug eingegangen wurde. Die hier angedeutete Kausalität macht mir echte Bauchschmerzen. Da wird leider Tür und Tor aufgemacht für das Argument, Eltern seien ja selbst schuld, wenn sie ein Schreibaby haben, weil sie eben ihren "Job" als Eltern falsch machen. Das ist schlicht nicht wahr. Soetwas zu lesen kann sich bei verzweifelten Jungeltern furchtbar auswirken.
Genau das mit den Schreibabys ist mir auch direkt sauer aufgestoßen. Mein einer Sohn hatte eine dreiwöchige Schreiphase. Vier Stunden brüllen am Abend war die Regel. Ich probierte wirklich alles, alle Grundbedürfnisse waren erfüllt, er schrie trotzdem. Also saßen mein Mann und ich abwechselnd mit dem schreienden Kind auf dem Arm da, bis er einschlief. Wiegen, summen, gehen, wippen nichts half. Wir haben wirklich alles in unserer Macht stehende getan und ich würde mir ungerne vorwerfen lassen ich hätte mein Kind ignoriert.
Zum Glück war die Geschichte nach 3 Wochen ausgestanden. Keine Ahnung was Eltern tun, bei denen das mehrere Monate so geht.
Ich finde den Artikel grundsätzlich gut. Allerdings habe ich wie meine Vorredner auch große Bauchschmerzen mit der Aussage:
"Babys, die nicht angemessen und feinfühlig beruhigt werden, werden vielleicht so genannte Schreibabys"
Ja, es steht "vielleicht" dort und ja, ich hätte möglicherweise früher auch so gedacht. Aus eigener Erfahrung heraus kann ich sagen: ich habe auf meine beiden Kinder gleich feinfühlig reagiert und eins war von Beginn an ein Schreibaby, das andere nicht. Der Text berücksichtigt meiner Meinung nach nicht ausreichend, dass Kinder mit sehr (!) unterschiedlichen Fähigkeiten zur Selbstregulation schon zur Welt kommen und sich dies auch im Laufe der Kindheit fortsetzt. Das sehe ich bei meinen beiden Kindern Tag für Tag sehr deutlich. Die Veranlagung ist "festgelegt" und man muss sich individuell darauf einstellen, was genau ein bestimmtes Kind an Fremdregulation braucht. Das kann bei Geschwistern sehr verschieden sein.
Ansonsten guter Text.
Viele Grüße!
Danke für euer Feedback, ich beantworte es mal rasch gesammelt, da es zum gleichen Thema ist! Ja, genau, Kinder sind sehr verschieden und daher brauchen unterschiedliche Kinder unterschiedlich viel Regulation von außen. Ich werde in den nächsten Tagen auf das Thema "Schreibaby" eingehen. Ich merke, dass das für viele Eltern ein sehr schambehaftetes Thema ist und viele (Versagens-) Ängste aufgreift.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein dysreguliertes Kind ein "Schreikind" wird, ist nicht ganz gering. Nicht jedes Schreikind hat per se Eltern, die nicht feinfühlig sind, absolut richtig! Winnicott sagt sehr schön: So etwas wie ein Baby gibt es nicht… (There is no such thing as a baby…)
Das heißt, dass ein Kind immer im Kontext mit seinen Eltern zu sehen ist, mit seinem Bezugssystem. Sonst wird nämlich etwas am Kind falsch, es wird zum Sündenbock (siehe im Text zu Objekt- und Selbstrepräsentanzen).
Ich glaube auch, dass jeder nachvollziehen kann, dass wenn ein Kind mehrere Stunden am Tag mehrere Tage lang über mehrere Wochen (Dreier- Regel für die Diagnose) schreit, die eigenen Regulationsfähigkeiten wahrscheinlich am Boden sind. Das ist kein Versagen!! Das ist keine Schuld!!
Schreien ist ja erstmal etwas Kommunikatives, etwas sehr Gutes und Wichtiges. Es gibt Kinder, die sehr schwer zu verstehen sind, die sehr ambivalente Signale senden und das verwirrt. Das läuft gar nicht nur auf der bewussten Ebene, sondern auf der unbewussten.
Ich habe das oft so erlebt, dass nach der Geburt eine große Enttäuschung vorliegt, dass es eben nicht so perfekt ist, wie man sich das vorher erträumt hat. Und dann fängt das Baby auch noch (aus verschiedenen Gründen) irgendwann an zu weinen und hört nicht auf. Das ist ziemlich, ziemlich schrecklich für die Eltern… es zermürbt, es bereitet Selbstzweifel und vieles mehr.
Es kommt zum Teufelskreis: Mama merkt: oh Gott, es fängt schon wieder zu weinen an. Diese Anspannung spürt das Baby und ist verunsichert. Mama steht total unter Druck und ist in dem Moment ja gar nicht mehr richtig bei sich und das Beruhigen fällt immer schwerer. Das Baby spürt und riecht das quasi. Es kommt sozusagen zu einer gegenseitigen Enttäuschung.
Es gibt Kinder, die sich sehr schwer beruhigen lassen und das macht es den Eltern sehr schwer, sich kompetent zu fühlen. Da brauchen die Eltern dann ebenfalls eine feinfühlige Begleitung, die gemeinsam erkundet, was das Baby braucht.
Liebe Grüße!
Madame FREUDig
Vielleicht eine kleine Ergänzung: es geht nicht um falsch oder richtig, es geht erstmal darum, sich davon frei zu machen und einen Raum zu schaffen, um zu verstehen.
Gibt es realistische Untersuchungen über KiTAs ich wohne neben einer und so manches Kleinkind unter einem Jahr Brüllt hier herzzerreissend 6-9 Stunden pro Tag und gibt dann nach 4-6 Wochen auf Säuglinge resignieren früher ;-( wenn es die Mutter nicht kommt.
Ach das stelle ich mir schlimm vor, das den ganzen Tag mitanzuhören. Ich frage mich, was die Kitas den Eltern in solchen Fällen dann rückmelden…
Na garaniert nicht das es den Kindern auch nach Wochen nicht gefällt vermute ich. Wer würde sonst die Kinder dort wieder abgeben? Es liegt ja auch nicht an der KiTa es liegt am konzept Kinder bei Fremden abzugeben das ist nicht in unserem erprobten Programm und deshalb nicht im Sinne der Kinder. Biologisch jedenfalls nicht, trau ich mich als Biologin mal zu behaupten. In der Sippe, ja aber bei Fremden nee da kam vor uns noch kein Säugetier auf die Idee.