Kinder werden manchmal wütend und Eltern fragen sich verzweifelt, wie sie das selber aushalten und damit umgehen sollen, ohne selber wütend zu werden.

Wenn ich einem Kind das Gefühl geben will, dass ich es ganz annehme, wie es ist, dann kann ich auch seine Wutgefühle nicht ignorieren, sondern muss auf diese reagieren, muss sie irgendwie begleiten und zeigen, dass ich sehe, was da gerade passiert.

Aggressionen können Angst machen

Aggressionen  mit den dazugehörigen Gefühlen von Wut, Ärger, Hass, Zorn und Groll machen vielen Menschen Angst, insbesondere wenn diese Gefühle in nahen Beziehungen auftreten. Oft ist die Befürchtung groß, dass man die Zuneigung und Liebe des geliebten Gegenübers oder es gleich ganz verliert. Wenn man aber wirklich miteinander in Beziehung ist, dann lassen sich solche Gefühle auch nicht vermeiden. Oder zumindest nur zu einem sehr hohen Preis. Frustrationswut kann schnell entstehen, wenn die Bedürfnisse nicht wie ersehnt beantwortet werden. Kleine, aber auch große Menschen können nicht immer alles so haben und bekommen, wie wir das wollen. Das kann so eine Enttäuschungswut durchaus schnell entstehen. Ganz unabhängig davon ist, ob die ersehnten Wünsche vom anderen überhaupt beantwortet werden müssen oder nicht. Gefühle entstehen nicht in einer Logik des Dürfens.

Wenn eine Beziehung frei von diesen vermeintlich negativen Gefühlen sein sollen und der Wunsch nach permanenter Harmonie im Forderung steht, wird die Beziehung an Lebendigkeit einbüßen. Es ist normal auf Frustration irgendwie geartete aggressive Gefühle zu fühlen.

Häufige Ursache psychischer Störungen: unterdrückte Wut und Aggression

Nicht gespürte Gefühle werden entweder ausagiert (huch, warum habe ich denn drei Unfälle in vier Monaten verurascht?) oder aber auf innerpsychische Art und Weise abgewehrt mit Hilfe der so genannten Abwehrmechnismen (ich weiß gar nicht, warum mir in letzter Zeit immer alles so egal ist und ich keine Freude mehr empfinde- autoaggressive Abwehr, die vielen depressiven Störungen zu Grunde liegt oder aber psychosomatisch „oh, mein Blutdruck steigt schon wieder, ich brauche wohl Betablocker“).

Die Rolle der unterdrückten Aggressionen ist bei vielen psychischen Störungen eine ziemlich ausschlaggebende. Bei den Depressionen oder bei der Somatisierung werden Aggressionen nach innen gegen sich selbst gerichtet, obwohl eigentlich oftmals jemand Anderes gemeint ist. Das ist aber eben nicht zwingend eine konkrete äußere Person, sondern viel eher eine „innere Objektrepräsentanz“, also das Bild der anderen Person im eigenen Inneren. Die persönliche Innenwelt entsteht neben den individuellen Fantasien durch die vielen Beziehungserfahrungen, die wir machen, vornehmlich natürlich mit unseren Eltern. Wir verinnerlichen so, wie wir uns von Mutter/ Vater behandelt gefühlt haben (Objektrepräsentanz), wie wir in diesen Sitautionen waren (Selbstrepräsentanz) und diese beiden Teile sind durch ein Gefühl verbunden.

Gab es keine gute Lösung, um mit den Gefühlen beziehungserhaltend umzugehen, kann ein Mensch auf keine Erfahrung damit zurückgreifen. Er muss mit dem, was er erlebt hat, den Konflikten in seinem Leben begegnen. Und gerade Ärger, Enttäuschungswut etc. sind alltägliche Herausforderungen.

Mit Wut werde ich nicht mehr geliebt

Als Beispiel könnte jemand verinnerlicht haben, dass seine Wut dazu führt, nicht geliebt zu werden: Immer wenn Mama gemerkt hat, dass ich ärgerlich war, hat sie mich in mein Zimmer geschickt. Ich war so hilflos, weil ich nicht wusste, wohin mit meiner Wut, ich hatte Angst, dass meine Mama mich nicht mehr lieb hat, wenn ich so böse bin.

Als Eltern legen wir den Grundstein dafür, was unsere Kinder von der Welt erwarten. Die durch Erfahrung geschaffene Innenwelt wird zur Blaupause dessen, was sie sich von der Welt und anderen Menschen erhoffen oder auch befürchten.

Da sowohl die innere als auch die äußere Beziehung geschützt werden muss, werden Gefühle zurückgehalten. Wenn die Überzeugung besteht, so „böse“ Gefühle nicht haben zu dürfen, fristen sie ungesehen im Inneren ihr schädliches Dasein. So kann man nicht für sich Verantwortung übernehmen.

Frustration macht erstmal wütend und das ist ok, das darf sein. Wir müssen das spüren dürfen. Denn nur, wenn wir das fühlen, können wir uns mit der Quelle auseinandersetzen und für uns sorgen. Dazu ist es notwendig, dass wir uns abgrenzen können und unsere Gefühle bei uns lassen und die des Gegenübers beim Gegenüber.

Meine Gefühle, deine Gefühle

In Beziehung zum eigenen Kind ist es daher notwendig, dass deutlich wird: das sind nicht unsere, sondern meine oder deine Gefühle, über die wir ins Gespräch kommen. Je nach Empathiefähigkeit können wir sie nachfühlen oder eben nicht. Auch wenn wir ein ähnliches Gefühl empfinden, so ist das doch aus unterschiedlichen Gründen und Beziehungserfahrungen heraus.

Was passiert denn aber, wenn einem Kind signalisiert wird: sei kein böses Kind, ich will dich so nicht? Geh weg und komm wieder, wenn du brav bist.

Dieser unterdrückte Ärger muss irgendwohin. Man kann ihn nicht einfach in die Welt rausschleudern. Wir sehen täglich in den Nachrichten, wohin das führt. All die wirklich malginen Narzissten, die vierlerorts regieren, zerstören und zerstören immerfort. Dass man die Wut nicht einfach ungefiltert rausschleudert ist etwas, was man durch die Beziehungserfahrung lernt.

Irgendwie müssen wir einen Weg finden- das muss nicht verbal sein- folgende Botschaften an unser wütendes Kind zu vermitteln :

„Warte, Stopp! Du kannst hier niemanden verletzten, das lasse ich nicht zu“
und
„oh herrjemine, du bist aber gerade so so wütend“  
und

„ich bin und bleibe da, du darfst dich mir mit deiner Mordswut zeigen“.

Es ist wichtig zu zeigen, dass alle Gefühle gefühlt werden dürfen. Es mag schwer sein, sie zu beherrschen, aber wir sind gerade dann dafür da. Das Kind wird diese Haltung für sich immer mehr übernehmen und sich mit der Fähigkeit, sich selbst zu regulieren, identifizieren.

 

Wenn ein Kind schlägt oder beißt

Das kommt vor. Kleine Kinder schlagen aus unterschiedlichen Gründen. Meistens aus Wut und emotionaler Überforderung, aber auch verschiedene andere Gründe kommen in Frage. Es ist unsere Aufgabe als Eltern, das angemessen zu begleiten. Wir dürfen und müssen sogar Grenzen setzen, wenn uns ein Verhalten stört oder emotional oder körperlich verletzt. Da muss jeder für sich selber entscheiden, wo diese Grenze liegen soll. Wir müssen aber jeweils die eigenen Grenzen spüren und sie unserem kindlichen Gegenüber altersentsprechend mitteilen.

„Bitte lass das, ich möchte das nicht!“

Ein Kind versteht das vielleicht nicht. Das muss uns als Eltern nicht ärgern, aber natürlich kann man sich in so einem Moment unglaublich hilflos und ohnmächtig fühlen. Natürlich könnte man mit besonders scharf- schneidender und lauter Stimme deutlich machen, dass das jetzt absolut unangemessen ist oder das Kind rausschicken.

Das Kind braucht aber gerade in dieser emotionalen Überforderungssituation ein Gegenüber, dass Kraft hat und es ausHÄLT, gerade jetzt.

Auf kindliche Wut reagieren

Es gibt verschiedene Weg, auf unerwünschtes Verhalten zu reagieren. In verhaltenstheoretischen Ansätzen wird man versuchen, dieses Verhalten mittels Strafe und Belohnung zu modifizieren. Die Reaktion auf ein Verhalten verändert die Auftretenswahrscheinlichkeit. Sind die Konsequenzen negativ, wird das Verhalten wahrscheinlich seltener. Die so genannte Löschung bedeutet z.B., dass verstärkende Faktoren und positive Konsequenzen (wie auch Aufmerksamkeit) bei unerwünschtem Verhalten zurückgenommen werden.

Ich finde dieses Vorgehen ungünstig.

Ein Kind steht vor der Herausforderung, sein Innenleben mit den sozialen Gepflogenheiten in Einklang zu bringen. Diese sozialen Gepflogenheiten müssen wir ihm zeigen, ohne Frage. Gleichzeitig muss es aber auch den Raum geben, um die eigenen Gefühle zu spüren, einzuordnen, darauf zu reagieren und selber einen guten Umgang damit zu finden. Das ist eine lange Reise, die nie abgeschlossen ist. Die Frage ist, ob man ein Kind haben oder selber ein Mensch sein möchte, der kein Fehlverhalten zeigt und dafür aber wenig Zugang zu seinem Innenleben hat.

Authentische Rückmeldungen in der Beziehung: miteinander nachdenken

Es ist daher wichtig, authentische Rückmeldungen zu geben. Beißen und hauen sind einfach nicht schön. Es ist wichtig, dass gesehen wird, wie ein Kind sich fühlt, damit es sich gesund entwickeln kann. Klare Grenzen zu setzen ist ebenfalls notwendig, denn das Kind hat ein Recht darauf, dass es sowohl in seinen Gefühlen als auch im sozialen Kontext beantwortet wird.

Ziel ist es, dass ein Kind nicht alle Gefühle in die Tat umsetzen muss, sondern sie in seinem Inneren wahrnehmen und sich derer annehmen kann. Dass Gefühle nicht ausagiert werden müssen, sondern in Worte gepackt erstmal auch überdacht werden können. Die Feststellung, wütend zu sein, ist der Start. Warum bin ich wütend? Bin ich enttäuscht? Von mir? Von dir? Was wünsche ich mir vor mir/ dir? Ist es sinnvoll und machbar?

All diese Gedanken kann man miteinander teilen und besprechen. Hilfreich ist dabei auf ein Gegenüber zu treffen, das auf Grund der geäußerten Gedanken nicht seinerseits ins Agieren gerät, sondern sich erstmal auch gedanklich darauf einlassen kann.

 

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