Kinder sind auch Männersache. Vatersein bedeutet Vaterschaft leben – oder das sollte es zumindest. Denn es ist leider längst keine Selbstverständlichkeit, weshalb Madame FREUDig und ich im Zuge des Blog-Relaunch den Vätern eine eigene Rubrik widmen. Gezielt wollen wir die „Vaterperspektive“ integrieren und damit zeigen, dass Kinder und Familie längst nicht Aufgabe „der Frau“ sind, sondern ein jeder hat echte Verantwortung für ein glückliches Familienleben zu tragen. Familie ist vor allem ein Beziehungsgeflecht, in dem man wechselseitig füreinander da ist.
Finden werdet ihr daher heute und auch in Zukunft Gastbeiträge von Männern, die sich nicht als bloße Ernährer verstehen, nicht als Wochenendpapas und Mama-Gehilfen, sondern als gleichberechtigte Elternteile. Letzten Endes ist es schließlich nicht Geld oder das Geschlecht, welches uns zu guten oder schlechten Eltern macht, sondern die Beziehung zu unseren Kindern. Sehen wir die Bedürfnisse aller Familienmitglieder und versuchen diese aufeinander abzustimmen? Übernehmen wir Verantwortung füreinander? Schenken wir Liebe und Geborgenheit? Sind wir verlässlich da, wenn uns unsere Liebenden brauchen?
Den Anfang macht heute Leander, der schon immer wusste, dass er einmal ein Vater sein würde. Ein anwesender Vater. Ein Papa, der es liebt, Papa zu sein.
Bevor es mit dem eigentlichen Text aber losgeht, möchte ich euch unbedingt zuerst noch ein kleines Comic Leanders zeigen. Drei weitere findet ihr noch am Textende. Familie ist ihm ganz offenbar auch als Comiczeichner ein Anliegen und das definitiv in sehr gelungener Form!
Vatersein
Ein Gastbeitrag von Leander
Ich wollte eigentlich soweit ich denken kann auch Vater werden. Mich hat der Gedanke Kinder zu haben nie geängstigt. Ich kam mit anderen Kindern immer gut klar, bin selbst mit 5 Geschwistern groß geworden und der Gedanke, nicht Vater zu werden, kam mir gar nicht in den Sinn.
Als ich dann meine Frau kennenlernte, war mir auch schnell klar, dass es nicht mehr allzu lange dauern würde, bis ich wirklich Vater würde, und nachdem wir uns entschlossen hatten, es zu versuchen, war es auch schon 3 Monate nach dem Entschluss passiert. Auf dem Ultraschall kündigten sich dann Zwillinge an. Wenn, dann richtig.
Auch eine Sache, die mir vor dem Kennenlernen meiner Frau klar war: ich wollte wirklich ein anwesender, beteiligter Vater sein und nicht nur eine „graue Eminenz“, die nie zu Hause ist und „nur“ das Geld anschafft. Ich will, dass meine Frau auch arbeitet, ein eigenes Leben hat, und ich will ein wichtiger Teil meiner Kinder sein. Will eine Ansprechperson sein, und bei der Entwicklung meiner Kinder dabei sein und mitreden können.
„Ich hätte nicht gedacht, dass zwei kleine Kinder einen so auspowern können“
Die Schwangerschaft verlief zu Beginn sehr problemlos. Die letzten Wochen musste meine Frau liegen bleiben, und ich besuchte die letzten Stunden zur Geburtsvorbereitung alleine. Ich machte die Wohnung so weit fertig wie es ging und kümmerte mich um quasi alles um meine Frau herum. Meine Frau erkannte meine Erschöpfung und schickte mich mit Freunden zum Entspannen, denn sie hatte so ein „Gefühl“. Mit dem Gefühl lag sie genau richtig. Am Tag nach meinem freien Tag und nach einer ordentlichen Gewitternacht kamen meine Jungs zur Welt. Vier Wochen zu früh, jeweils über 2,6 kg schwer und 51 cm groß. Es war eine spannende und erschöpfende Geburt. Die Jungs kamen auf natürlichem Wege zur Welt und ich konnte meine Frau und meine beiden Jungs schon am nächsten Tag aus dem Krankenhaus holen und bei mir zu Hause weiter bewundern. Die ersten Tage half uns meine Schwiegermutter aus und die Hebamme aus dem Geburtshaus stand uns immer zur Seite. (An dieser Stelle meinen größten Dank an meine Schwiegermama und an die Hebammen des Marburger Geburtshauses! Für die Vorbereitung, die Beratung und die Versorgung.)
Die ersten Tage hatte ich Urlaub, und nach einer kurzen Arbeitszeit wollte auch ich Elternzeit nehmen. Ich hatte bei der Beratung zur Elternzeit allerdings etwas falsch verstanden und aufgrund dieser Blödheit hatte ich nur 7 Monate Elternzeit und nicht 12, wie ich es eigentlich geplant hatte. Zudem sagte mir mein damaliger Chef ziemlich deutlich durch die Blume, dass ich nach der Elternzeit nicht mehr kommen brauche. „Wir brauchen zuverlässige Mitarbeiter, und niemanden, der sich um Kinder kümmern muss“. Ich einigte mich mit meinem Chef, bekam eine kleine Abfindung und blieb die Elternzeit über angestellt und verließ die Firma danach und war dann erst mal zu 100% selbstständig gemeldet.
Vieles vom Vatersein war für mich dann doch sehr überraschend. Ich dachte, dass meiste würde ich wissen, aufgeschnappt haben oder gut mit klar kommen. Doch meine Jungs haben mich vor ganz neuen Tatsachen gestellt. Am Anfang war es noch einfach – für mich. Ich konnte meine Frau versorgen und viele Arbeiten um die Jungs herum abnehmen. Und in der nicht sehr mobilen Anfangsphase der Jungs konnte ich viel erledigen und mich beruflich voranbringen. Doch es kamen immer weniger und irgendwann keine Aufträge mehr rein. Ich war schnell 100% Hausmann. Das Geld reichte allerdings noch aus – ich hatte für diese Situation angespart – und wir genossen die Zeit als Familie. Die Jungs kamen mit knapp anderthalb in die Kita und vier Monate später fing meine Frau wieder an zu arbeiten. Wir hatten gehofft, dass ich durch die Kitazeit auch meiner Selbstständigkeit noch etwas nachgehen konnte, doch auch dann hatte ich die meiste Zeit mit meinen Jungs zu tun, da der Arbeitsplatz meiner Frau lange Autofahrten einfordert.
In dieser Zeit, so um das 2. Lebensjahr der Jungs, erreichten meine Frau und ich unser derzeitiges Limit. Körperlich wie seelisch waren wir ausgebrannt. Die Jungs entwickelten sich prächtig, doch der Stress wurde fast zu viel. Wir waren kraftlos und leicht reizbar und das überträgt sich natürlich in Windeseile auf die Kinder. Ich war in meinem Leben noch nie so erschöpft und dünnhäutig. Man hört immer nur wie stressig es angeblich ist Kinder zu haben und glaubt das ja auch gerne, kann es sich aber nicht so vorstellen. Ich hätte nicht gedacht, dass zwei kleine Kinder einen so auspowern können. Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, wie das Alleinerziehende so lange durchhalten. Faszinierenderweise vergisst man diesen Stress aber auch wieder schnell. Man verdrängt es regelrecht.
Denn wie alle Phasen hatte auch diese irgendwann ein Ende. Ich fand eine neue Stelle in Marburg. Ich kann zu Fuß zum Arbeitsplatz und meine Jungs im Kindergarten absetzen und abholen, ohne einen Umweg machen zu müssen. Meine Selbstständigkeit dümpelt ein wenig vor sich hin, da neben Beruf und meinen Kindern nicht mehr so viel Zeit bleibt. Die Jungs werden immer selbstständiger, was vieles leichter macht – und anderes wieder schwerer. Doch den Stresspunkt, den wir vor zwei Jahren hatten, haben wir nie wieder erreicht.
Ich gehöre zu einer absoluten Minderheit
Vor nicht allzu langer Zeit habe ich gelernt, dass ich zu einer absoluten Minderheit unter den Männern gehöre. Ich habe mehr als 2 Monate Elternzeit genommen und ich habe bewusst eine Halbtagsstelle angenommen, um meine Kinder betreuen zu können. Wir haben nur einen Mittagsplatz im Kindergarten, was bedeutet, dass die Jungs um 14 Uhr abgeholt werden müssen. Meine Frau und ich haben unsere Arbeitszeiten so gelegt, dass wir sie jeden Wochentag ab 14 Uhr selbst betreut bekommen. Der Hauptteil der nachmittäglichen Betreuung fällt noch auf mich, allerdings hat sich das Verhältnis stark angeglichen. Abends wechseln wir uns mit dem Zubettbringen ab und morgens haben wir einen ziemlich eingespielten Ablauf, der in der Regel super funktioniert.
Ich bin ein ganz klarer Teil im Großwerden meiner Jungs. Ich habe jeden Entwicklungsschritt miterlebt, kann an Elternabenden mitreden und kenne meine Jungs. Sie kommen zu mir, wenn es Probleme gibt. Ich bin kein „Fremder“ im eigenen Haus, und nicht „unantastbar“. So stressig die Zeit auch war und ist, ich möchte sie nicht missen. Der Gedanke, den ganzen Tag nicht bei meinen Kindern zu sein und sie nur an den Wochenenden zu erleben, und abends mal kurz zu sehen, bevor sie ins Bett müssen, ängstigt mich.
Wenn man meist vor 7 Uhr den Tag beginnt und abends erst gegen 20:30 Uhr beendet, spürt man jeden Knochen und den ermüdeten Geist. Denn Kindererziehung und Haushalt sind halt schwere Arbeit… neben der bezahlten Arbeit. Ich mache keine Mittagspause am Arbeitsplatz, damit ich mit den Zeiten hinkomme, um die Jungs vom Kindergarten abzuholen. Meine Frau macht Homeoffice, um die Kinder an den anderen Tagen abholen zu können, nur um dann noch weiterarbeiten zu müssen, während die Jungs ein Zimmer weiter Chaos machen, bis ich dann auch komme und sie beaufsichtige.
Und jeden Abend, absolut jeden Abend, schau ich auf meine schlafenden Jungs und bin unfassbar glücklich, dass ich mich dazu entschieden habe, Zeit für sie zu haben.
Ich liebe es, Vater zu sein. Und ja, das bedeutet auch einige Dinge nicht zu können, und ich bin nicht mehr so frei in meinem Schaffen. Und auch, wenn ich ganz kirre werde, weil ich mal ein Projekt wegen der Jungs nicht – für mich – schnell genug fertigbekomme, und sich meine Ideen für weitere Projekte anhäufen, ohne wirklich abgearbeitet zu werden … ich will es nicht missen, ein Teil meiner Familie zu sein. Es ist ein gutes Gefühl die Fotoalben durchzublättern und bei fast jedem Foto der Jungs zu wissen: Da war ich dabei! Ich bin Papa.
Über mich selbst
Ich bin diplomierter Kommunikationsdesigner und neben meiner Tätigkeit als Illustrator und Projektassistent in einer Agentur arbeite ich als freischaffender Illustrator. Ich betreibe nebenbei noch einen Comicblog auf dem man in dezent übertriebener Weise ein wenig über meinen Lebensalltag lesen kann. (www.leandersfeinelinie.com). Dort findet man in der Regel auch all meine anderen Projekte, an denen ich arbeite.
Lieben Dank Leander für deinen Text über das Vatersein. Wenn von den „neuen Vätern“ die Rede ist, dann sollte eigentlich von Männern wie dir die Rede sein. Von Männern, die wirklich Verantwortung als Vater übernehmen.
mit gleichberechtigten Grüßen
Jessi
Hinterlasse einen Kommentar