Die Eingewöhnung meines Sohnes ist in den letzten Wochen weiter gegangen. Genau genommen haben wir nun sechs Wochen hinter uns. Vermutlich denken jetzt nicht wenige: „Oh, das dauert aber lange. Läuft wohl nicht gut.“ – Ich kann hingegen nur sagen: Doch, Schritt für Schritt geht es voran. Ich habe ein gutes Gefühl. Es läuft gut – auch wenn es sich zieht und es natürlich auch Momente des Zweifels gab.

In meinen Freitagslieblingen hatte ich ja bereits umrissen, dass ich mir eine bedürfnisorientierte Eingewöhnung wünschte. Heute möchte ich euch erzählen, wie es weiter gegangen ist – und warum die Eingewöhnung immer noch nicht abgeschlossen ist (und es auch nicht sein kann).

Eigentlich wollte ich euch heute auch was zu meiner persönlichen (Arbeits-) Situation sagen und ebenfalls einen Blick auf die Kita-Rahmenbedingungen werfen, aber leider stellte sich der Gesamtartikel letztendlich als eindeutig zu lang heraus, sodass der zweite Teil dieses Beitrags dann erst in den kommenden Tagen erscheinen wird. Ausführlich genug wird es aber immer noch, keine Sorge…

 

Ziel der Eingewöhnung

Sechs Wochen sind es also schon. Vielleicht schaffen wir es in der nächsten Woche, vielleicht erst in der Woche darauf. Womöglich noch später. Sicher ist nur, dass nichts konkret planbar ist, ich aber vertraue.

„Schaffen“ ist ja sowieso ein sehr dehnbares Ziel. Haben wir die Eingewöhnung geschafft, wenn er 7-9 Stunden jeden Tag dort bleiben kann? Wenn er in der Kita Mittagsschlaf macht? Wenn er bis zum Mittagessen durchhält? Wenn er nicht mehr weint beim Abschied? Wann ist es denn geschafft?

Wie seine große Schwester soll auch unser Sohn irgendwann 6-7 Stunden in die Kita gehen. Irgendwann bedeutet, dass wir die Betreuungszeit genau wie bei seiner Schwester nur allmählich steigern wollen. Er ist noch so klein und da es uns möglich ist, unsere Arbeitszeiten so zu organisieren, dass es möglich ist (durchaus unter Anstrengungen), machen wir es auch möglich.

Erfolgreich eingewöhnt ist unser Sohn aus unserer Sicht dann, wenn er erstens mindestens bis zum Mittagessen in der Kita bleibt. Zweitens soll er dabei weitgehend frei und entspannt spielen und die Welt entdecken. Er soll bei Bedarf die Nähe seiner Erzieherin suchen (können), aber nicht non-stop auf Körperkontakt angewiesen sein.

Das Sahnehäubchen wäre, wenn er auch seinen Mittagsschlaf in der Kita machen würde. Danach holen wir ihn spätestens ab.

Soweit unsere Ziele.

 

Der Verlauf unserer Eingewöhnung

Dass mein Sohn mit seinen 12 Monaten nicht schon am ersten Tag losrennt und lieber in die Kita geht, als bei uns Eltern zu bleiben, das war nicht nur zu erwarten: Das Gegenteil hätte mich doch ernstlich an unserer Bindung zweifeln lassen. Ein sicher gebundenes 12-Monate altes Kind ist nicht mal eben in einer Woche in eine Umgebung eingewöhnt, in der er noch keine Bindung zu den Menschen dort hat.

Aufbau einer Bindung: Woche 1 bis 3

Eine gute Bindung zur Bezugserzieherin ist essentiell. Sie muss sich für unseren Sohn als kompetent und verlässlich mit Blick auf seine Bedürfnisse erweisen. Das braucht eine gewisse Zeit, denn schließlich kannte er diese Erzieherin im Grunde genommen noch gar nicht.

Erschwert wurde der Bindungsaufbau allerdings dadurch, dass aufgrund des sowieso schon knappen Personalschlüssels auch noch Krankheit hinzu kam. Nicht bei meinem Kind und auch nicht bei der Bezugserzieherin – aber in der Kita insgesamt. Idealerweise konzentriert sich die Bezugserzieherin ja während der Eingewöhnung auf das einzugewöhnende Kind. Nimmt Kontakt auf, unterbreitet Spielideen, sprich: Sie bahnt eine Beziehung an. Das wird natürlich sehr schwierig, wenn dieselbe Erzieherin parallel aufgrund der Personaldecke zeitweise sechs weitere kleine Kinder betreuen muss. Spielen, wickeln, kuscheln, trösten. Da braucht das Beschnuppern und der Beziehungsaufbau zwangsläufig länger.

In diesem Sinne wundert es mich überhaupt nicht, dass es tatsächlich ein wenig gedauert hat, bis eine bindungsähnliche Beziehung aufgebaut war. Oder vielmehr eine erste schöne Basis. Während mein Sohn sie in der ersten Woche weitgehend ignorierte, lächelte er sie zunehmend häufiger an.

Langsam Schritt für Schritt

Zum Ende der dritten Woche waren wir bei einer Trennung von 30 Minuten. Er weinte dabei jedes Mal. Doch das Weinen selbst veränderte sich. Ich schlich immer wieder zur Tür, um die Nuancen des Weinens wahrnehmen zu können – und um zu hören, was die Erzieherin sagt und tut. Ebenso nutzte ich jede sich mir bietende Gelegenheit, um auch die Interaktion zwischen der Erzieherin und meinem Sohn sowie sein Verhalten zu beobachten.

So eine Eingewöhnung ist schließlich nicht nur für die Kinder, sondern auch für uns Eltern da. Auch ich musste Vertrauen aufbauen. Deshalb habe ich auch sehr intensiv das Gespräch gesucht. Dabei habe ich in Nebensätzen bewusst das eine oder andere zum Thema Bindung gesagt. Auch habe ich ihr meinen Standpunkt deutlich gemacht; Nämlich, dass ich immer nur bereit bin, neue Schritte zu gehen, wenn auch mein Sohn diesbezüglich Fortschritte bei seiner Eingewöhnung gemacht hat. Er bestimmt das Tempo. Das war mein Mantra.

"So eine Eingewöhnung in die Kita ist nicht nur für die Kinder wichtig. Aich die Eltern müssen Vertrauen aufbauen". Bedürfnisorientierte Eingewöhnung in einer normalen Kita: Zwischen Bindungsaufbau und Autonomiebedürfnis | Terrorpüppi | Reflektiert, bedürfnisorientiert, gleichberechtigt

Sobald ich nach den Trennungen wieder zurück war, entspannte sich mein Sohn quasi augenblicklich. Hierbei konnte ich zunehmend auch beobachten, wie er immer häufiger aktiv Kontakt zu seiner Erzieherin aufnahm – auch zum Abschied.

In dieser Zeit war es noch undenkbar, dass die Erzieherin ihn hätte absetzen können. Er brauchte intensiven Körperkontakt. Schließlich war seine Mama weg und ob er dieser Frau vertrauen kann, wusste er noch nicht. Er brauchte ihre unmittelbare körperliche Nähe – und sie gab ihm diese Nähe zuverlässig. Sein Bedürfnis wurde erkannt und ernst genommen. Er wurde gerade nicht einfach irgendwo hin gesetzt (zurückgelassen, alleingelassen,…), sondern der Gruppenraum und die anderen Kinder wurden von beiden gemeinsam erkundet.

Reflexion und aktives Gestalten statt Schema F

Gemeinsam haben die Erzieherin und ich die Fortschritte und ebenso die schlechteren Tage reflektiert. Stück für Stück habe ich begonnen, Vertrauen aufzubauen. Ihr Feedback über die Zeit der Trennung passte zu dem, was ich von außen mitbekam. Ich lernte dabei auch mich und die Beziehung zu meinem Sohn besser kennen. Zudem bemerkte ich, dass auch die Erzieherin meine Worte und meine Beobachtungen reflektierte und ihre Vorstellung von unserer Eingewöhnung modifizierte.

Zwischen Bindung und Autonomie: Die Wochen 4 und 5

Bindung ist wichtig – aber auch nicht alles. Auch in Woche 4 und 5 brauchte er noch ihre unmittelbare körperliche Präsenz. Doch waren stetig kleine Veränderungen zu beobachten. Während er bisher äußerst eng an sie geschmiegt war, saß er zunehmend locker auf ihrem Schoß bzw. Arm. Das Abenteuer rief.

Er hatte schon zuvor das Spiel der anderen Kinder aufmerksam verfolgt, doch nun verführte es ihn immer mehr. Man konnte den Zwiespalt, in welchem er sich befand, förmlich greifen: Noch zu wenig Bindung, um loslassen zu können und zugleich war das Autonomiebedürfnis zu stark, um nicht doch schon spielen zu wollen. Beides zusammen ging für ihn in nur unzufriedenstellender Weise. Ausschließlich kuscheln oder „nur“ spielen ging gleichermaßen nicht.

Mein Sohn wollte gerne den Schoß der Erzieherin verlassen, konnte es aber noch nicht. Bisher haben zuerst ich und sein Vater und nun auch die Erzieherin ihn bei Stress, Unwohlsein, Angst usw. ko-reguliert. Ko-Regulation wird er auch noch sehr lange brauchen und bekommen. Dennoch beginnt er schon jetzt damit, innere Strukturen aufzubauen. Strukturen, mit denen er sich ein Stück weit auch selbst regulieren kann – und so eben nicht 24 Stunden am Tag auf Körperkontakt angewiesen ist. Gerade in einer Kita ist ein gewisses Maß an Selbstregulation fundamental.

>Ich kann ihm nicht alles abnehmen<

Zum Ende der fünften Woche wurde deutlich: Der erste Bindungsaufbau zur Erzieherin war erfolgreich. Er hatte Vertrauen gefasst, suchte ihre Nähe und fand Sicherheit bei ihr. Noch aber hat er für sich noch zu wenig innere Struktur aufgebaut, um mit all dem Abenteuer umgehen zu können. Noch überwältigte ihn all das schier, zugleich aber frohlockte es beständig.

Wir waren bei einer Stunde Trennung mittlerweile und mir wurde klar, dass er einen Teil des Weges ohne mich gehen muss. Die notwendigen inneren Strukturen muss er selbst aufbauen. Das kann ich ihm nicht abnehmen. Ich mag ihn unterstützen können, aber abnehmen kann ich es ihm nicht.

 

Autonomiebedürfnis und Selbstregulation: Woche 6

In Woche 6 gingen wir nun einen großen Schritt weiter: Wir dehnten die Trennung auf zwei Stunden aus. Nicht zuletzt dank eines Gesprächs mit Madame FREUDig am Ende der fünften Woche platzte in dieser Woche gewissermaßen der Knoten. Da gab es Beobachtungen und Gefühle meinerseits, die ich zunächst schwer einordnen konnte. Dann aber gelang mir genau dies und ich konnte auch mein eigenes Verhalten an die Bedürfnisse meines Sohnes besser anpassen.

Kleine Änderung, große Wirkung

Er wollte frei spielen, aber noch war ihm die ganze Sache nicht so richtig geheuer. Und dann war da ich, die nach der Trennungszeit in den Gruppenraum kam und ihn gewissermaßen aus dieser Not rettete.

Statt ihn also wie zuvor immer unmittelbar (sobald er mich erblickte) in den Arm zu nehmen und dann das Gespräch mit der Erzieherin mit ihm gemeinsam auf dem Arm zu führen, setzte ich mich nun mit auf den Boden. Sobald er mich erblickte, sprach ich ihn sofort beruhigend an. Ich lobte ihn, wie toll er das gerade mache und bekundete Interesse an seiner aktuellen Tätigkeit. Ich griff auf, was er gerade tat und versuchte, ihn darin zu bestärken.

Es war nur eine kleine Verhaltensänderung: Ich signalisierte ihm, dass ich nicht komme, um ihn zu retten, denn er muss ja gar nicht gerettet werden. Schließlich bekommt er das schon ganz toll hin! Ich setzte mich also hin und ließ ihn zu mir kommen. Er wurde schon beim ersten Mal ruhiger und in dieser Woche verbrachte er zunehmend Zeit auch abseits des sicheren Schoßes der Erzieherin.

Zitat zu als Eltern die Kitaeingewöhnung aktiv begleiten und unterstützen: "Ich signalisierte ihm, dass ich nicht komme, um ihn zu retten, denn er muss nicht gerettet werden. Schließlich bekommt er das schon ganz toll hin!" | Bedürfnisorientierte Eingewöhnung in einer normalen Kita: Zwischen Bindungsaufbau und Autonomiebedürfnis | Terrorpüppi | Reflektiert, bedürfnisorientiert, gleichberechtigt

Vom langen Atem einer Eingewöhnung

6 Wochen also dauert unsere Eingewöhnung schon. Den letzten Tag der sechsten Woche blieb er bis zum Mittagessen. Mittlerweile glaube ich, dass wir nach 7 oder 8 Wochen davon werden sprechen können, dass die Eingewöhnung „geschafft“ ist. Ob mit oder ohne Sahnehäubchen, davon werde ich mich noch überraschen lassen.

Kinder sind keine Maschinen. Selbst wenn wir diese Eingewöhnung als erfolgreich abgeschlossen werden deklarieren können – da bin ich mir mittlerweile sicher. So braucht mein Sohn noch viele Wochen und Monate, um so richtig in der Kita anzukommen. Bindungen müssen weiter gestärkt bzw. auch werden. Ebenso ist dieser Prozess der Selbstregulation ja bei Weitem nicht abgeschlossen. Er muss für die Kita, aber längst nicht nur für da, Strategien entwickeln, die es ihm möglich machen, mit dem Stress umzugehen.

Endlos ist solch eine Eingewöhnung sicher nicht, aber sie braucht Raum und Zeit, wenn sie wirklich bedürfnisorientiert sein soll.

Eure fast schon eingewöhnte Jessi

 

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