Ich war die Tage mit meiner Tochter auf einem Spielplatz. Eigentlich ein toller Tag mit ganz viel Schnee und Sonne. Während mein Herbstmädchen kletterte und ich ihr ob der Glätte sprungbereit möglichst unauffällig zur Seite stand, kam ihr ein kleiner, etwa 14- 18 monatiger Junge entgegen.

Sie stand da und beobachtete, wie er die löchrigen, glatten Balken überwand. Da sie davon ganz beeindruckt schien, kommentierte sie das in einer Tour. Der Junge erfreute sich sichtlich an ihrer überschwenglichen Anteilnahme. Und dann sagte sein Vater: Hörst du, wie die redet? UND DU KANNST GAR NICHTS!

Kind hält sich die Ohren zu

 

A propos Gewalt

Ich war wirklich fassungslos. Ich starrte ihn an und es gab in dem Moment keine Worte. Ich war so erschrocken über die verbale Gewalt in diesem eigentlich so friedlichen Moment. So etwas geht nicht, absolut nicht! Vollkommen egal, wie angespannt oder gestresst dieser Vater auch gewesen sein mag, aber so etwas geht einfach nicht.

Die Haltung hinter diesem eiskalten Satz (der höchst wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs war) wird zu dem werden, was der Junge von sich tief im Innersten auch denken wird. Möglicherweise wird er ganz offensichtlich ein „Versager“ und nichts gebacken kriegen. Eine Reihe von Menschen wird ihn abwerten als „so ein Hartz- IV- ler“ und davon sprechen, dass er sich doch nur mal anstrengen müsste. Vielleicht wird er aber auch der Überflieger, der seine fundamentalen Minderwertigkeitskomplexe durch Leistung zu kompensieren versucht. Dann wird er von allen gelobt und bewundert und wird doch nie zufrieden sein.

Kindern sagen, wie sie sein sollen?

Kurze Zeit später im Café sitzen wir und schlagen uns die Bäuche mit Kuchen voll. Es gibt einen dieser Spielterminals und das Herbstmädchen erkundet ihn. Als sich ein etwas älteres Kind (vielleicht 3) dazusetzt und die beiden Mädels über das Spiel in Kontakt treten, kommt Mutti von hinten angefegt:

aber du bist hier lieb, ja!!!

Sie lächelt mich verschwörerisch an. In diesem „Sie wissen ja, wie Kinder sind, man muss schon klar Grenzen setzen“- Duktus.

Diese tief verankerte Auffassung, einem Kind sagen zu müssen, wie es SEIN soll, ist so bedrückend. Mal davon abgesehen, dass das Mädchen tatsächlich sehr „lieb“ war, ist es doch vollkommen unnötig, so etwas zu sagen. Kinder  sind in so vielen Fällen ausgelieferte Projektionsflächen, in die solche Sätze einsickern. Erwartungshaltungen werden deutlich gemacht, anstatt dem Kind erstmal Raum zu geben, so zu sein wie es ist oder sich augenblicklich fühlt. Man kann doch dann immer noch darauf reagieren. Aber ein nicht „lieb sein“ von Vorneherein zu unterbinden anstatt Raum zu geben, dass sich zeigen darf, was da ist, ist einfach nur schade.

Zu beobachten war dann nämlich Folgendes: meine Tochter fummelte dem Mädchen immer wieder dazwischen und das Mädchen war sichtlich beunruhigt, wie sie darauf reagieren soll. Sie sollte ja lieb sein. Ihre Anspannung stieg immer weiter.

Wir geben unseren Kindern viel mehr mit, wenn wir ihnen zeigen, dass das, was sie fühlen und wie sie fühlen, ein großer Reichtum ist. Damit umzugehen, das für sich und andere gut einzusetzen, das müssen wir ihnen manchmal zeigen.

Für dieses Mädchen wäre es doch so hilfreich gewesen, von seiner Mutter die Botschaft zu bekommen:

sei du selbst und reagiere. Wenn dich etwas stört, dann darfst du das auch zeigen.

Der Wert der Worte

Unsere Worte können alles sein. Sie können Schmeichler, Liebende, Freudige, Verabscheuende, Hassende, Gleichgültige sein. Worte sind ALLES! Sie müssen mit Bedacht gewählt werden.

Ich bin manchmal selber erstaunt, wie genau sich manche Patienten an exakte Formulierungen von mir erinnern. Auch Jahre später. „Als Sie vor vier Jahren zu mir sagten, ich sei liebenswert, da konnte ich das gar nicht glauben. So etwas hat ja noch nie jemand zu mir gesagt!“ Manchmal fragen mich Patienten, ob ich noch wüsste, wie ich das und das gemeint hätte, was ich vor zwei Jahren gesagt hätte. Sie hätten sich damals nicht getraut, mich das zu fragen.

Was ich damit deutlich machen will: wie jemand Worte empfindet, was sie in seinem Inneren bewirken, das können wir nur erahnen. Wir sollten daher gerade unseren Kindern gegenüber sehr achtsam und wachsam sein.

Alles was wir sagen und wie wir es sagen, kann zu einem Teil ihres eigenen Bildes von sich werden.

Hier habe ich vor einiger Zeit hier schon mal über so klassische Sätze von Eltern geschrieben.

Eure Madame FREUDig

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Gewalt in Worten. Du kannst gar nichts! | Terrorpüppi | Reflektiert, bedürfnisorientiert, gleichberechtigt