Ninas Kaffeesätze
von Nina alias Frau Papa

Immer, wenn ich mit Kindern verreise, mache ich mir eine Liste und als erstes steht auf der Liste, in Großbuchstaben und ganz oben: Kuscheltiere! Mit dem Ausrufezeichen. Da die Kuscheltiere in der Nacht vor der Abreise unbedingt noch gebraucht werden sind sie meist die letzten, die in den Koffer gepackt werden.

Ich reise öfter mit den Kindern. Das war nicht immer so, aber in den letzten Jahren ergab es sich einfach, dass wir alle paar Monate mal 1-2 Tage irgendwo in Deutschland unterwegs sind. Meistens reisen wir mit der Bahn. Bahnreisen mit Kindern ist eine unterschätzte Kunstform. Die Abstimmung der Verbindungen, Umstiege, Reisedauer und die Versorgung während der Reise verlangen Geschick, Ausdauer und ein Talent, das noch keinen Namen hat. Und daher möchte ich Euch meine letzte Reise mit den Kindern beschreiben.

Es ist Mittwoch morgens. Sommerferien. Der Kaffee ist warm, das Frühstück auf den Tisch. Auf der Couch liegen der noch offene Koffer und ein Rucksack. Daneben liegen die Stapel mit Klamotten, für den ersten Reisetag. In der Küche liegt der geplante Proviant. Die Kinder liegen noch im Bett. Meine Frau sitzt mir gegenüber am Tisch. Diesmal kann sie uns nicht begleiten. Wir genießen die Ruhe. Es ist Zeit die Kinder zu wecken.

Vorfreude ist die schönste Freude. Die Kinder wälzen sich formlich in Begeisterung. In den Ferien lassen wir sie so oft als möglich ausschlafen. Das ist heute nicht möglich. Niemand wird gern geweckt. Mit leisen Grummeln bewegen sich die kleinen Füße durch den Flur zum Frühstückstisch.

Die Checkliste liegt auf meinem Platz, alles was eingepackt ist, wird abgehakt. Nachdem alle aus dem Badezimmer gekommen sind, stehen nur noch die Kuscheltiere drauf. Als ich sie im Koffer verstaut habe und den Reißverschluss schließe, nehme ich die Checkliste nochmal zur Hand. Habe ich alles notiert? Brauche ich noch etwas, das nicht drauf steht? Nein. Wir sind fertig. Alle nochmal aufs Klo schicken, dann Koffer, Rucksack, Handtasche, Jacken, Kinder nehmen und los geht‘s.

Pünktlich erreichen wir den Bahnsteig. Während wir warten, fragen die Kinder mir ein Loch in den Bauch. Sie begleiten mich zum ersten Mal auf einer Dienstreise. Ja, ihr werdet das Büro sehen. Ja, ihr werdet meinen Chef kennenlernen. Ja, es gibt dort ein Klo. Ja, ich habe was zu Trinken mit, aber das gibt es erst im Zug. Ich merke, dass ich keinen Kaffee mitgenommen habe.

Der Zug fährt ein. Die Kinder nehmen sich an der Hand und helfen sich beim Einsteigen, während ich dahinter mit dem Gepäck folge. Bis zum ersten Umsteigebahnhof fahren wir 40 Minuten. Diesen Abschnitt der Strecke kennen die Kinder gut. Wir plaudern und schauen aus dem Fenster. Die Kinder fragen, was wir außer meinen Terminen alles vor haben. Wichtigste Frage: „Können wir Eis essen?“

Umsteigen ist immer Hektik. Heute haben wir genug Zeit, aber der Bahnhof ist voll mit Reisegruppen. Die Kinder wollen eine Brezel und ich bekomme endlich meinen Reisekaffee. Am Bahnsteig die erste Verspätung. Gleichzeitig wird die geänderte Wagenreihung bekannt gegeben. Wir stehen am falschen Ende des Bahnsteigs und setzen uns in Bewegnung.

Direkt neben der Schaffnerin steigen wir ein. Sie ist etwa in meinem Alter und fragt mich, wie alt denn meine Kinder seien. „Sieben und Neun“ – „Ich bin sieben und mein Bruder ist neun. Mein großer Bruder ist 14, aber der fährt heute nicht mi…“ Wir müssen einsteigen. Die reservierten Plätze sind frei. Ich kann nur allen, die mit Kindern reisen, raten, Sitzplätze zu reservieren, und zwar NICHT im Ruhebereich. Es erspart, den Zug von vorn bis hinten durchqueren zu müssen, und meistens (ja, wirklich meistens) sind die reservierten Plätze auch problemlos zu bekommen. Seit die Kinder Zahlen lesen können, sage ich beim Einsteigen kurz die Sitzplatznummern. Dann laufen sie voraus, bleiben neben den Plätzen stehen und rufen: „Auf unseren Plätzen sitzt schon jemand!“ Was die Person meist veranlasst, sich in Bewegung zu setzen. Niemand, wirklich niemand diskutiert mit meinem 7-Jährigen wegen einer Reservierung.

Nach zwanzig Minuten Fahrt kommt erstmals Langeweile auf. Im Rucksack sind Tablets für die Kinder griffbereit und aufgeladen. Ja, ich erlaube meinen Kindern beim Zugfahren Tablet zu spielen. Wie ihr Euch denken könnt, spielen die Kinder dann eine Weile ruhig. Nach etwa einer halben Stunde unterbreche ich das Spiel. Trinkbecher auf die Ablagen, einmal Wasser eingießen. Ein wenig Plaudern. In meinem Rucksack habe ich noch ein paar Kartenspiele und ein Notizbuch mit Stiften. Meine Kinder würden wahrscheinlich auch 4 Stunden am Stück mit dem Tablet verbringen, aber das will ich nicht. Zumindest nicht in diesem Alter.

Irgendwann wurde ich gefragt, warum meine Kinder beim Reisen so ruhig sind. Einerseits sind wir gut vorbereitet. Verspätungen regen uns in den meisten Fällen nicht sonderlich auf. Wir planen längere Umsteigezeiten (daher kaufe ich die Karten auch immer noch am liebsten am Schalter). Auf einem fremden Bahnhof einen Bahnsteig zu suchen ist auch ohne Zeitdruck manchmal eine Herausforderung. Wir haben immer Proviant, Getränke und Spiele mit. Dazu zähle ich inzwischen auch die Tablets. Und das wahrscheinlich Wichtigste: Ich verstehe, dass eine Reise anstrengend und langweilig sein kann. Daher nehme ich mir einfach Zeit. Reden, kuscheln, spielen oder einfach mal die Aussicht aus dem Fenster kommentieren (Es gibt sehr viele Schafe zwischen Bielefeld und Berlin, aber nur wenige davon sind schwarz).

Ankunft in Berlin. Die Kinder lachen, als sie aussteigen. Wir müssen unbedingt U-Bahn fahren. Und ich darf das Eis nicht vergessen. Ganz wichtig, sagt der Kleinste und hält sich an meinem Ringfinger fest, während wir zur Rolltreppe gehen.

Perfekt vorbereitet Bahnfahren mit Kindern - Ninas Kaffeesätze (18) | Terrorpüppi | Reflektiert, bedürfnisorientiert, gleichberechtigt