Bevor ich Mutter wurde, habe ich nie darüber nachgedacht, ob ich in Vollzeit oder Teilzeit arbeiten wolle oder gar solle. Vollzeit war mein wahrgenommenes Ideal. Teilzeit hingegen war eher eine Notlösung, ein vorübergehender Zustand. Mittlerweile bin ich an einem Punkt angekommen, an dem ich davon überzeugt bin, dass eine 40-Stunden-Woche dauerhaft über die gesamte Lebensarbeitszeit als gesellschaftliche Norm nicht erstrebens- und wünschenswert ist.  Diese Erkenntnis hat ausdrücklich nicht nur mit meiner Mutterschaft zu tun. Aber sie hat dazu geführt, dass ich angefangen habe, meine Prioritäten klarer in den Blick zu nehmen. Zugleich klopft die Teilzeitfalle an meiner Tür.

Im heutigen Beitrag möchte ich mich daher der sogenannten „Teilzeitfalle“ auseinandersetzen: Was ist die Teilzeitfalle überhaupt? Ab wann ist man in einer solchen gefangen? Da ein solches Thema sehr facettenreich ist, gebe ich zu bedenken, dass viele Aspekte keineswegs schon erschöpfend dargelegt sein werden. Versteht den Beitrag daher als Einladung, euch gemeinsam mit mir über das Verhältnis von Arbeit, Familie und individuelle Bedürfnisse Gedanken zu machen.

Natürlich fährt mein Gedankenkarussell zur Vereinbarkeit nicht erst in diesem Kontext wilde Kurven. Schon in der ersten Schwangerschaft trat die Vereinbarkeitsfrage mit voller Wucht in mein Leben: Und plötzlich war sie da: Die Vereinbarkeitsfrage. Bis heute sind viele Fragen geblieben und neue hinzugekommen: Wie zum Beispiel bringt man Arbeit und eine bedürfnisorientierte, womöglich zeitintensive(re) Kita-Eingewöhnung unter einen Hut?

Von der Vollzeit zur Teilzeit zur Teilzeitfalle

Fangen wir bei der Vollzeit an. Die wollte ich schließlich lange arbeiten – auch noch, als längst meine Tochter auf der Welt war. Vollzeit ist nicht gleich Vollzeit – und Teilzeit bemisst sich immer an der jeweiligen Vollzeit des Arbeitgebers (oder der Branche oder gemäß des Tarifvertrags). Die 40-Stunden-Woche etwa stellt im Öffentlichen Dienst und auch bei vielen anderen Arbeitgebern nicht mehr Vollzeit dar, sondern oft eher 38 oder 39 Stunden. Manchmal sogar weniger.

Teilzeit wird dann eigentlich schon gearbeitet, sobald weniger als Vollzeit vorliegt – also wenn ich zum Beispiel 30 statt 38 Stunden arbeite – oder aber 20 statt 38. Hier ist es allerdings interessant, zu wissen, wie in Studien und Statistiken Vollzeit definiert wird. Die Grenzen zwischen Vollzeit (oder vollzeitnah) und Teilzeit werden da nämlich sehr unterschiedlich gezogen, sodass stark voneinander abweichende Ergebnisse nur wenig überraschen. Für das Statistische Bundesamt beispielsweise liegt Teilzeit erst dann vor, wenn die Wochenarbeitszeit unter 21 Stunden fällt. Jemand, der 25 oder 30 Stunden arbeitet, fällt dann entsprechend nicht in die Gruppe der in Teilzeit Arbeitenden. In der Wahrnehmung von Kolleg*innen und Chef*innen hingegen gilt durchaus auch 35 stat 40 Stunden schnell als Teilzeit.

Bewusst, aber nicht blind in Teilzeit

Nun könnten uns ja solche zahlenbezogenen Definitionen womöglich egal sein, doch was Teilzeit ist und was nicht – und was als Teilzeit wahrgenommen wird – das hängt mit vielen anderen Fragen eng zusammen: So mit Karriere und beruflichem Werdegang, mit der Rente und mit Care-Arbeit, mit gesellschaftlicher Anerkennung und auch mit Gleichberechtigung. All das sollte uns allen wirklich nicht egal sein. Mir jedenfalls ist es nicht egal – und das sage ich als Frau, die in Teilzeit arbeitet. (Oder doch schon zu vollzeitnah?)

Ich arbeite bewusst 30 Stunden die Woche. Auch mein Mann arbeitet in Teilzeit. Uns beiden ist zugleich aber bewusst, dass wir die eben genannten Punkte nicht einfach völlig zur Seite schieben können. Wie können wir trotzdem beruflich den Anschluss nicht verlieren? Wie können wir uns trotzdem für das Alter adäquat absichern? Die Krux ist, dass wir in der privilegierten Position sind, das auch mehr oder weniger gut hinzubekommen. Wir können uns Teilzeit leisten – sowohl im Jetzt als auch mit Blick auf die Zukunft. Auch, weil wir es uns leisten wollen.

Beruflich gesehen habe ich derzeit eine recht glückliche Situation. Ich arbeite im Rahmen von Projekten. Da fällt es karrieretechnisch weniger ins Gewicht, ob ich nun 30 oder 40 Stunden arbeite. Statistisch gesehen (siehe oben) arbeite ich scheinbar sowieso so vollzeitnah, dass ich gar nicht zur Schar der teilzeitbeschäftigten Frauen gezählt werde… Verrückt, denn beruflich gibt es dennoch immer wieder Situationen, wo ich als Teilzeitbeschäftigte wahrgenommen werde.

In Teilzeit arbeiten und in Teilzeit führen? Der kleine Unterschied – auch zwischen Mann und Frau 

Rechtlich gesehen, dürfen Teilzeitbeschäftigte aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung nicht diskriminiert werden. Ganz praktisch erfolgt dies aber nicht zuletzt aufgrund unserer Arbeitskultur weitgehend flächendeckend. In Teilzeit arbeiten und trotzdem Führungskraft sein? Gibt es! Aber selten. Hinzu kommt, bleiben wir mal bei den Zahlen des Statistischen Bundesamts, dass vor allem Frauen in Teilzeit arbeiten: So gehen 66,7% aller erwerbstätigen Frauen einer Teilzeitbeschäftigung nach, kaum aber Männer. Hier sind es gerade einmal 5,6% aller erwerbstätigen Männer. Das Verhältnis ist 66,7% zu 5,6%.

Frauen haben also schon rechnerisch kaum Chancen auf Führungspositionen, denn diese sind fast ausschließlich Vollzeit arbeitenden Beschäftigten vorbehalten (also den 94,4% in Vollzeit beschäftigten Männern!). Laut der Böckler-Stiftung arbeiten auch weniger als 5% der Führungskräfte in Teilzeit. Für Frauen folgen u.a.

  • eine signifikant schlechtere Absicherung im Alter,
  • größere Zwänge, sich aufgrund der Teilzeit mehr um Haushalt und Familie kümmern zu müssen und
  • eben auch Abhängigkeiten und fehlende Gleichberechtigung in den Partnerschaften.

Ein gesetzlich garantiertes Recht, aus der Teilzeit in die Vollzeit zurückkehren zu dürfen, wird zwar auch ganz aktuell diskutiert, ist aber längst noch nicht beschlossene Sache. Und selbst wenn es das wäre, so müsste es dann auch erstmal umgesetzt werden (siehe auch Süddeutsche Zeitung). Frauen reduzieren überspitzt gesagt mit ihrer Mutterschaft häufig die Arbeitszeit deutlich, fallen beruflich zurück und bekommen später kaum noch die Gelegenheit, sich zurück in Vollzeit und in berufliche Verantwortung zu kämpfen. Die gewünschte Teilzeit wird dann nicht selten zur unfreiwilligen Teilzeit. Sie sitzen dann buchstäblich in der Teilzeitfalle.

Ich will führen – werde ich auch führen?

Mein derzeitiger Arbeitgeber ist von der Größe her auf der Ebene eines Kleinstunternehmen. Entsprechend gibt es auch nicht allzu viele Führungsebenen. Ich selbst führe innerhalb meines Projektes insofern, dass ich eine studentische Hilfskraft an meiner Seite habe. Für das Projekt trage ich große inhaltliche Verantwortung, die formale Projektleitung und damit einhergehende Befugnisse hab ich aber nicht. Dauerhaft möchte ich diesbezüglich gerne mehr Verantwortung übernehmen, dazu muss ich dann allerdings vermutlich den Arbeitgeber wechseln.

Momentan ist es für mich vollkommen okay, lediglich eine Studentin zu führen. Später jedoch will ich mir. Ich glaube, zu führen, liegt mir – und das auch in Teilzeit. Nun kommt es aber nicht von ungefähr, dass weniger als 5% der Führungskräfte in Teilzeit arbeiten.

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Nur Vollzeit = volle Leistung und Leistungsfähigkeit?

Vollzeit wird in unserer Arbeitswelt immer noch mit der vollen Bereitschaft und der Fähigkeit, Leistung zu zeigen, assoziiert. Wer nicht voll arbeitet, ist entsprechend auch nicht voll leistungsfähig und schon gar nicht führungstauglich. Unternehmensfloskeln zu Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch Führen in Teilzeit erscheinen da meist als bloße PR und stehen im krassem Widerspruch zur Unternehmensrealität.

Wer anwesend ist, der war auch fleißig. Die meisten Frauen sind quasi nie richtig anwesend – so jedenfalls die Wahrnehmung nicht weniger Mitmenschen. Entsprechend sind Frauen in der Regel auch nicht die erste Wahl bei unternehmerisch relevanten Entscheidungen. Teilzeitarbeitende Männer im Übrigen auch nicht. Das können die 5,6% sicher bestätigen. Der Anwesenheitskult wird nach wie vor zelebriert, da hat auch die Flexibilisierung der Arbeitszeiten in vielen Unternehmen nur wenig dran geändert. Die Teilzeitfalle ist aber bei weitem kein reines Problem der Wirtschaft.

Die 32-Stunden-Woche als durchschnittliche Lebensarbeitszeit?

Nun ist unsere Gesellschaft durch einen enormen Individualisierungsdruck gekennzeichnet. Die Anforderungen (und Erwartungen) wie auch die Belastungen steigen in allen Lebensbereichen. Der Tag allerdings hat weiterhin nur 24 Stunden und auch die Lebenszeit ist in den letzten Jahrzehnten zwar dank moderner Medizin erheblich ausgeweitet worden, aber weiterhin als endlich zu betrachten.

Das Festhalten an einer über alle Lebensphasen konstanten 40-Stunden-Woche erscheint mir vor dem Hintergrund einer flexibilisierten und Mobilität fordernden Arbeitswelt sowie den mannigfaltigen Herausforderungen, die Familienleben bzw. Privatleben mit sich bringen, veraltet. Nein, nicht nur veraltet, sondern krank machend angesichts der Ausmaße von psychischen und physischen Erkrankungen in unserer Gesellschaft. Die schier unendlichen Möglichkeiten, das eigene Leben in die Hand zu nehmen, fordern ihren Tribut.

In einigen Lebensphasen sind die Belastungen dabei besonders hoch: Gleichzeitig voll zu arbeiten und Kinder mit ihren Bedürfnissen unter einen Hut zu bekommen, womöglich parallel Angehörige zu pflegen und eine romantische Liebesbeziehung zu pflegen, ohne sich dabei selbst zu vergessen – das ist eigentlich eine nicht zu bewältigende Aufgabe. Etwas oder jemand bleibt da auf der Strecke. Von Freundschaften  Hobbys und sozialem Engagement will ich gar nicht erst anfangen.

Veränderungen sind notwendig

Voller Faszination blicke ich daher auf Konzepte wie das der Soziologin Jutta Allmendinger, die eine durchschnittliche Lebensarbeitszeit von 32 Stunden fordert. Teilzeit solle und müsse zur gesellschaftlichen Normalität für alle Geschlechter werden. Ihr schwebt dabei vor, dass entsprechend den unterschiedlichen Bedarfen einzelner Lebensphasen mal mehr, mal weniger gearbeitet wird. Während der Familiengründung, wenn die Kinder noch klein sind, oder aber wenn beispielsweise Angehörige erkrankt sind und gepflegt werden „müssen“, könne Arbeitszeit reduziert und in weniger belastenden Lebensphasen wieder ausgeweitet werden.

Das Rückkehrrecht in die Vollzeit bzw. eine Erhöhung der Arbeitsstunden wäre daher elementar. Das geht aber nur, wenn unsere Gesellschaft sich nicht allein über Erwerbsarbeit definiert. Auch andere Tätigkeiten – wie eben das Großziehen von Kindern, die Pflege von Angehörigen oder soziales Engagement – müssten neu und mehr wertschätzt werden.

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Was Gleichberechtigung und gleichberechtigte Elternschaft damit zu tun hat

Fragen rund um die Arbeitszeit (Vollzeit, Teilzeit, Lebensarbeitszeit) hängen grundlegend mit Gleichberechtigung und im Falle von Familien auch mit gleichberechtigter Elternschaft zusammen. Gesamtgesellschaftlich muss sich einiges in puncto einer gerechten Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern tun. Die traditionellen Rollenbilder wandeln sich nicht von heute auf morgen und auch nicht unmittelbar, nur weil einige wenige individuell anders entscheiden.

Je mehr Menschen jedoch andere Wege gehen, Verantwortlichkeiten anders aufteilen, die eigenen Rollen hinterfragen, desto stärker werden Veränderungen in Gang gesetzt. Allein kann niemand etwas gesellschaftlich ändern – viele aber schon. Deshalb sollte ein*e jede*r sich selbst hinterfragen und mit Veränderungen bei sich selbst beginnen.

Von Hausarbeit, Care-Arbeit und mental load

Die traurige Realität für viele Familien ist, dass der mental load des Familienmanagements (zu lesen auch bei glücklich scheitern) selbst dann im Wesentlichen auf den Schultern der Frauen lastet, wenn diese selbst Teil- oder gar Vollzeit arbeiten. Verantwortung und Pflichten werden nicht gleichberechtigt geteilt. Während Frauen noch immer für die Haushalt, Care Arbeit und die Familienorganisation zuständig sind, sichern die Männer das Familieneinkommen ab. Die finanziellen Risiken liegen dabei überwiegend bei den Müttern, die in der Gegenwart wie auch in der Zukunft finanziell abhängig sind und schlechtere Chancen haben, an dieser Situation wieder etwas zu ändern.

Blicke ich auf meine persönliche Situation, so stelle ich fest: Wir als Familie könnten uns einen ganz anderen Lebensstandard leisten, wenn mein Mann und ich mehr arbeiten würden. Jedoch wären wir keine glücklichere Familie und auch sicher kein glücklicheres Paar. Durch unsere Teilzeitarbeit ist es uns viel besser möglich, auf die Bedürfnisse unserer Kinder wie auch auf unsere eigenen einzugehen.

Care-Arbeit wie Haushalt wuppen wir gemeinsam. Auch für die Familienorganisation sind wir beide zuständig. Stressig ist es trotzdem (und manchmal auch gerade deswegen). Wer glaubt, es gehe nur darum, endlich auf der faulen Haut liegen zu können, verkennt die Realitäten.

Die Teilzeitfalle kann immer (noch) zuschnappen

Wie schon erwähnt, arbeite ich projektbasiert. Das hat den Nachteil, befristet beschäftigt zu sein – und eben den Vorteil, dass Teilzeit einen Normalfall darstellt. Da ich mich seit Studienende außerdem stetig beruflich weiterentwickelt habe (Promotion, spezifische Praxiserfahrung) mache ich mir derzeit kaum Sorgen, dass ich nicht auch weiterhin gute Jobs finden werde.

Dennoch: Die Teilzeitfalle kann immer noch zuschnappen und gewissermaßen hat sie es auch schon: Sie hat es insofern schon, als dass ich mir viel weniger Rentenansprüche erarbeite als andere in vergleichbarer Position in Vollzeit. Bestimmte Karrierewege bin ich außerdem derzeit überhaupt nicht bestrebt zu gehen, gerade weil dort zu wenig Flexibilität gegeben ist. Manche Türen sind womöglich schon jetzt für immer geschlossen.

Beruflich bin zwar dennoch nicht so recht gefangen, so arbeite ich keineswegs auf dem Abstellgleis. Ich habe vielfältige berufliche Perspektiven. Doch die Gabe der Hellseherei ist auch mir nicht gegeben. Wer weiß, ob es sich später nicht doch noch als nachteilig herausstellt, dass ich nicht 40 Stunden gearbeitet habe.

Ich ziehe mich nicht ins Private zurück

Mir ist einfach bewusst: Meine persönlichen Entscheidungen haben Pfadabhängigkeiten in Gang gesetzt, bei denen ich nicht weiß, wann ich über welche Gestaltungsspielräume verfügen werde. Entsprechend aufmerksam bin ich auf meinem Weg, um nicht blind und ahnungslos in eine berufliche Sackgasse zu rennen.

In Teilzeit zu arbeiten, bedeutet für mich gerade nicht, mich vollkommen ins Private zurückzuziehen. Meine Arbeit ist mir wichtig. Ich entschleunige lediglich meinen Karriereweg und fokussiere mich. Ob es beruflich langfristig klappt, wird sich zeigen. Privat profitieren meine Familie und ich ganz persönlich ohne jeden Zweifel. Ich kann die Teilzeitfalle als Risiko nicht wegdiskutieren und sollte sie ebenso wenig ignorieren. Ebenso wenig kann ich gesellschaftliche Problemlagen alle einfach individuell lösen. Aber ich kann Veränderungen mit anstoßen, indem ich im Rahmen meiner Möglichkeiten agiere und den Wandel auch weiterhin einfordere.

 

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