Ninas Kaffeesätze
von Nina alias Frau Papa

Es war nach 23 Uhr, meine Frau schlief, an mich gekuschelt auf der Couch und mein Abendprogramm flimmerte gemütlich vor sich hin. Plötzlich klingelt das Telefon. Nich das Handy, das ich in der Hand habe, sondern das Festnetz, das mit voller Lautstärke dahin bimmelt und dabei die Kinder, die Meerschweinchen und die halbe Nachbarschaft aus dem Schlaf reißt. Dehende erhebe ich mich und eile elegant zum Telefon (in Wirklichkeit habe ich mich schon bei der Couch fast überschlagen und verlor auf halben Weg meine Puschen).

„Hallo,“ flüstere ich, als ob meine leise Stimme, das laute Klingeln nachträglich neutralisieren könnte. Am anderen Ende mein ältester Sohn, in Tränen aufgelöst. Er klingt am Boden zerstört. Ob er mit Mamma reden kann, fragt er. Nein, Mama schläft schon (ich werfe einen Blick zur Couch, meine Frau reißt die Augen auf und schaut mich an). In einem Atemzug erzählt er mir etwas von seiner Freundin und dann von „ich bin so betrunken“ – ich kombiniere: Absturz durch Liebeskummer. Er fragt, ob er vorbei kommen darf. „Natürlich. Natürlich darfst Du das,“ sage ich leise.

Wir sind eine Patchworkfamilie. Die beiden großen haben einen anderen Vater und vor zwei Jahren habe die beiden Kinder den Wunsch gehabt, bei Papa zu leben. Damals hatte ich das Gefühl, die Familie würde zerreißen. Zwei Kinderzimmer waren innerhalb weniger Wochen unbewohnt. Damals dachte ich, ich hätte zwei Kinder verloren. Ja, seit zwei Jahren wohnt er bei seinem Papa, seit zwei Jahren ist hier nicht mehr sein „Zuhause“. Seit dieser Zeit sind wir der Familienteil, der alle 14 Tage am Wochenende besucht wird. An diesem Abend wäre er nicht bei uns gewesen.

40 Minuten nach dem Anruf klingelt er an der Tür. Ja, er ist betrunken. Meine Frau umarmt ihn und bringt ihn ins Wohnzimmer. Irgendwie haben die kleinen Geschwister geschafft, trotz Telefon und Türklingel weiter zu schlafen. Auf der Couch rollt sich unser großes Kind in eine Decke ein und weint. Er erzählt über den Abend, die Freundin und was er getrunken hat… „Im Wein steckt Wahrheit“ – er redetet viel. Ja, er hat Mist gebaut, das wusste er. Er ist müde und aufgekratzt. Irgendwann, nach langem Zuhören, wird er ruhiger.

Nein, ich finde es nicht gut, dass ein Teenie sich betrinkt. Ich finde es schrecklich, dass er mit seinen Gefühlen nicht anders umzugehen wusste. In den 40 Minuten, in denen wir auf unser Kind warteten, haben meine Frau und ich miteinander gesprochen. Nein, es ging nicht darum, ihn in diesem Zustand über Alkohol aufzuklären. Es ging darum, für ihn da zu sein, ihm zuzuhören.

Als meine Kinder auszogen, hatte ich Angst, ich würde sie verlieren. Nun liegt er auf der Couch und schläft. „Nach Hause“ wollte oder konnte er nicht und auch zu „Oma Opa“, wo er schon oft einen Rückzugsort fand, ging er nicht. Er kam zu uns. Irgendwie, tief drin, sind wir noch immer seine home-base. Ein sicherer Platz, selbst wenn er mal Mist baut.

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