Gestern und heute war Geburtsvorbereitungskurs. Ich habe mich recht kurzfristig dazu entschlossen. Die Geburt rückt näher, schließlich bin ich schon Ende der 35. Woche, und ich erhoffte mir, etwas entspannter zu werden. Denn die Anspannung wuchs in den letzten Wochen. Mehr als erwartet.

Ich hoffte darauf, gestärkt die letzten Meter zu gehen. Das Gegenteil ist der Fall.

 

Die Hebamme hat den Kurs durchaus sehr schön geleitet. Wäre ich Erstgebärende, dann hätte mich dieser Kurs definitiv nicht nur gut vorbereitet, sondern auch zuversichtlich und zugleich einigermaßen realistisch auf die Geburt blicken lassen.

Ich bin aber nicht Erstgebärende.



Damals im Dezember 2013 ging ich zuversichtlich, optimistisch und auch vergleichsweise gut informiert in die Geburt. Meine positive Einstellung hat mich durch die gesamte Geburt getragen, sogar dann, als mir klar wurde, dass es nicht ganz rund läuft. Immer wieder Geburtsstillstand. Eine Intervention nach der anderen. Komplikationen, mit denen auch die erfahrenen Ärzte nicht gerechnet haben. Es ging irgendwie noch mal gut. Mit blauem Auge sind wir davon gekommen.

Glück gehabt. Glück gehabt? Ich, nein wir, haben dem Tod zwei Schnippchen geschlagen und das begreife ich erst jetzt in vollem Ausmaß.

Später habe ich durchaus über meine Geburt gesprochen. Ich habe nicht einfach verdrängt. Das Reden hatte geholfen. Ich wusste dennoch stets, dass die nächste Geburt weniger unbeschwert für mich sein würde. Doch vieles wird mir erst jetzt klar. Ganz langsam beginne ich zu begreifen.

Nichts an meiner ersten Geburt war normal.

Die Hebamme ist gestern und heute die „Normalgeburt“ Schritt für Schritt durchgegangen. An jeder Stelle ging sie auch auf typische Abweichungen ein, die letztlich ebenso normal seien, aber eben weniger häufig. Ich hatte keine Normalgeburt. Ich hatte sogar kaum typische Abweichungen.

Mein damaliger Arzt hatte beiläufig bemerkt, dass bei mir permanent der höchst unwahrscheinlichste Fall eingetreten sei. Niemand hätte damit rechnen können, was im Einzelnen geschah. Die gesamte Interventionsspirale erging sich über mein Baby und mir. Wir überlebten trotzdem und zugleich genau deswegen. Es fühlt sich bis heute paradox an.

Mein Geburt war statistisch betrachtet total unwahrscheinlich. Doch das ist nur wenig tröstend für mich. Nicht mehr. Die zweite Geburt steht an.

Es ist nicht so, dass ich mir erst jetzt, so kurz vor Ende der Schwangerschaft, Gedanken mache. Kaum hatte ich diese zwei Streifen in der Hand, welche mir meine Schwangerschaft bestätigten, wusste ich es: Diesmal kommt keine Einleitung in Frage. Steht fest, dass diese notwendig würde, dann soll es ein Kaiserschnitt sein. Ebenso wusste ich, dass ich einen Kaiserschnitt dann wollen würde, wenn mir erneut ein sehr großes und schweres Kind prophezeit werden würde.

Gewünscht aber habe ich mir zugleich von Anfang an, dass sich mein Baby diesmal allein auf den Weg macht. Vor dem Termin. Selbstbestimmt.

Die natürliche Geburt war nach wie vor das, was ich mir eigentlich wünschte. Ich glaube (glaubte?) daran, dass mein Kind – und damit auch ich – das schaffen würden, wenn die Geburt nur von allein losgehen kann UND wenn das Baby nicht zu groß ist.

Doch genau jetzt weiß ich nicht mehr so recht, was ich glauben soll. Meine Gedanken kreisen um die erste Geburt und ich habe Angst. Angst vor einer natürlichen Geburt. Angst davor, dass auch dieses Mal nichts normal an ihr sein wird. Angst, dass sich dass „Natürliche“ erneut auf „irgendwie vaginal“ beschränken könnte. Angst, dass wir diesmal nicht körperlich gesund aus dem Prozess hervorgehen.

Es war damals alles höchst unwahrscheinlich. Doch es ist eingetroffen. Mein Kopf versteht, wie unwahrscheinlich es ist, dass mir dasselbe wieder geschieht. Aber mein Gefühl und mein Körper verstehen das nicht. Sie wissen, dass ausgerecht mir, uns, das Unwahrscheinliche schon widerfahren ist. Es kann also wieder geschehen. Es kann. Es muss nicht.

Nur die Gewissheit, dass vieles vom geschätzten Geburtsgewicht und der -größe abhängt, bleibt. Ebenso die absolute Ablehnung der Einleitung. Doch schaffe ich einen zweiten Anlauf einer natürlichen Geburt? Ich weiß es nicht.

herzlichst, Jessi

Nach dem Trauma ist vor dem Trauma: Die Angst vor der zweiten Geburt | Terrorpüppi | Reflektiert, bedürfnisorientiert, gleichberechtigt